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FBW-Bewertung: Ente gut! Mädchen allein zu Haus (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die Initiative?Der besondere Kinderfilm? hat sich gelohnt, wenn dabei Ergebnisse entstehen wie Norbert Lechners Film. Erzählt wird die Geschichte von Linh und Tien, die während der Abwesenheit ihrer Mutter ? sie muss nach Vietnam, um ihrer kranken Mutter zu helfen ? allein zurechtkommen müssen. Die elfjährige Linh muss sich zugleich um den Familienbetrieb, einem vietnamesischen Imbiss, und um ihre zwei Jahre jüngere Schwester kümmern. Keiner darf wissen, dass sie vorübergehend ohne Erziehungsberechtigte leben. Doch die gleichaltrige Pauline aus der Nachbarschaft, in der Schule wegen ihrer roten Haare gegängelt und deshalb eine Einzelgängerin, beobachtet die beiden mit ihrem Fernrohr (ganz in DAS FENSTER ZUM HOF-Manier) und kommt hinter das Geheimnis. Nun versucht sie, die Mädchen zu erpressen. Aus dieser prekären Beziehung entsteht eine komplexe Freundschaft.
Komplex ist ein wesentliches Merkmal dieses außergewöhnlichen Films. Auf sehr komplexe und dennoch stets nachvollziehbare Weise wird von Freundschaft, Familie, von der beginnenden Pubertät, von kulturellen Identitäten und Migration erzählt. Damit ist der Film auch thematisch hochaktuell. Sehr nah am wirklichen Leben ist es zugleich eine spannende und rührende Geschichte, die auch als Utopie des Miteinanders über kulturelle Differenzen hinweg verstanden werden kann.
Die drei Protagonistinnen sind vielschichtig und werden herzerfrischend und herzzerreißend gut verkörpert. Der Film wird komplett von den Kindern getragen, sie lösen ihre Probleme selbst. Wenn es fast so aussieht, als gäbe es keinen Ausweg mehr, finden sie doch noch einmal eine Option, und diese eröffnet sich stets aus ihrer Erfahrungswelt heraus. Zugleich werden die Erwachsenenund deren Welt durchaus ernst genommen. So etwa Linhs und Tiens Mutter, die eben auch eine Mutter hat, um die sie sich kümmern muss. Dass sie ihre Kinder allein zu Hause ließ, ist problematisch, wird am Ende des Films aber überzeugend aufgelöst. Das ist dramaturgisch sehr durchdacht. Eine der Erzählweise dienliche Kamera- und Schnittästhetik sowie eine unaufdringliche Musik runden den Film zu einem überaus gelungenen Kinderfilm ab.



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