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FBW-Bewertung: 24 Wochen (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: 24 WOCHEN ist ein tief berührendes Drama über die schwierige Entscheidung, ob man ein behindertes Kind zur Welt bringen soll oder nicht. Der Film war in diesem Jahr der einzige deutsche Beitrag im internationalen Wettbewerb der Berlinale und rührte das Publikum zu Tränen - in der heutigen Medienwelt eine Meisterleistung.

Astrid, fantastisch gespielt von Julia Jentsch, ist eine erfolgreiche Kabarettistin, die bei verschiedenen Comedy-Shows für Lacher sorgt und durch das Land tourt. Gemanagt wird sie von ihrem Mann Markus, nicht weniger überzeugend von Bjarne Mädel gespielt. Sie haben eine 9-jährige Tochter und ein schickes Häuschen im Umland von Leipzig. Astrid ist im sechsten Monat erneut schwanger. Dann bekommen sie die Diagnose, dass bei ihrem Baby Trisomie 21 festgestellt wurde. Sie recherchieren und entscheiden sich beide für das Kind.

Es folgt eine weitere Diagnose: Das Kind hat zusätzlich einen schweren Herzfehler und muss gleich nach der Geburt am offenen Herzen operiert werden. Gesetzlich ist in diesem Fall in Deutschland ein später Abbruch möglich. Es wird für das Paar ein schwieriger Entscheidungsprozess über Leben und Tod. 24 WOCHEN gelingt es, diese schwierige Entscheidungsfindung lange in der Schwebe zu halten. Am Ende weiß Astrid immer noch nicht, ob sie die richtige oder falsche Entscheidung getroffen hat.

Neben der schauspielerischen Leistung hat der Jury besonders die Mischung zwischen fiktiven und dokumentarischen Elementen gefallen. Zwar sind die Figuren fiktiv, doch die Situation und der damit verbundene Entscheidungsdruck sind real. Aber letztlich kann ihnen und ihr niemand die Entscheidung abnehmen. Die Spezialisten und Experten, bei denen sie sich Rat holen, sind ebenfalls real und somit Laiendarsteller, bei denen man spürt, dass solche Situationen zu ihrem Alltag gehören. Dadurch sind die Dialoge sehr authentisch; die Musik ist zurückhaltend eingesetzt.

Stilistisch hat Anna Zohra Berrached ihr Konzept weiterentwickelt, das sie schon für ihren ersten Spielfilm ZWEI MÜTTER entwickelt hatte, der in ihrem neuen Film kurz zitiert wird. Der Film bietet eine geschickte Kollage zwischen Fiktion und Fakten. Der Regisseurin und ihrem Kameramann Friede Clausz gelingen sehr starke Bilder, die zum Teil sehr subtil angelegt sind. So werdendie schlechten Prognosen für ihr Baby zunächst nicht ausgesprochen, sondern man sieht sie zunächst in den niedergeschlagenen Gesichter des Paares. Erst danach wird die Diagnose erläutert, zum Teil in einem schwer nachvollziehbaren Fachchinesisch der Ärzte. Bemerkenswert sind die sehr atmosphärischen Bilder einer Unterwasser-Gymnastik, die Arbeit mit ungewöhnlichen Kameraeinstellungen oder der Tiefenschärfe, bei der die Gesprächspartner oft im Vordergrund angeschnitten sind.

Die Konflikte des Paares um die richtige Entscheidung werden dramaturgisch brillant entwickelt. Die sehr stimmige und erstaunliche Leistung ist Berracheds Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg, der zusammen mit zero one für das Kleine Fernsehspiel des ZDF produziert wurde. Nach ausführlicher Würdigung seiner Qualitäten verleiht ihm die Jury das Prädikat ?besonders wertvoll?.




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