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FBW-Bewertung: Peter Handke - Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte. (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Seit den 60er Jahren ist Peter Handke nicht nur einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller, er spielt seitdem auch seine Rolle so souverän wie nur wenige. Wer sich also wirklich private Einblicke von diesem Porträt des 73 Jahre alten Künstlers erhofft, wird enttäuscht sein, denn Handke inszeniert sich darin immer selbst. Er weiß genau, wie er sich vor der Kamera positionieren, wie er wirken, was er sagen und wie er sich bewegenmuss, um dem Bild, dass er von sich erschaffen hat, zu entsprechen. Immerhin hat er selber ja auch als Filmregisseur gearbeitet. Corinna Belz hat diese Bedingungen akzeptiert und hinterfragt sie nicht. Doch sie und Handke legen sie auch offen. So sagt Handke in die Kamera, er habe immer darauf bestanden, diese Rolle zu spielen und in einer offensichtlich gestellten häuslichen Szene mit Handke und seiner Tochter fragt diese, wie man unter diesen Umständen natürlich sein kann. Ihr Vater antwortet darauf, dies sei natürlich unmöglich. Aber auch die Selbstinszenierung eines Menschen sagt javieles über diesen aus und auf dieser Ebene lernt man Peter Handke dann doch überraschend gut kennen. Handke sieht und zeigt sich in den Aufnahmen in seinem Haus in Frankreich als einen Müßiggänger, der seinem eigenen elften Gebot ?Du sollst Zeit haben? folgt. So gibt es Sequenzen, in denener langsam einen Pilz aufschneidet, kleine Muscheln als Wegbegrenzung in die Erde seines Gartens drückt oder lange versucht, einen Faden durch ein Nadelöhr zu ziehen. Die entscheidenden Momente in Handkes Karriere wie etwa die Uraufführung seiner ?Publikumsbeschimpfung?, seine Kollegenschelte beim Treffen der Gruppe 46 in Princeton oder der Skandal um seinen Text über Serbien werden durch Archivaufnahmen dokumentiert. Eine weitere Ebene bekommt der Film dadurch, dass eine ehemalige Lebenspartnerin von Handke zu Worte kommt. Und mit seiner Tochter fährt Corinna Belz in ein Literaturarchiv in Wien, wo sie zusammen alte Fotos von Handke ansehen und darüber sprechen. Corinna Belz hat den Film in einem angenehm langsamen und so seinem Protagonisten angemessen Tempo geschnitten. Wenn sie den Umfang von Handkes Werk darstellen will, bewegt sie die Kamera an den gestapelten Buchrücken mit den Titeln entlang und dazu hört man den kultivierten Kammerjazz eines Klaviertrios. Handke liest selber einige Auszüge aus seinen wichtigsten Werken vor und dabei folgt die Kamera den einzelnen Worten, wie er sie in seinen Notizbüchern aufgeschrieben hat. So erhalten auch Handkes Texte dasihnen gemäße Gewicht.



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