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FBW-Bewertung: Life, Animated (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Der Film beginnt mit einem kleinen Ausschnitt aus einem Homevideo, in dem der knapp dreijährige Owen Suskind ausgelassen und glücklich mit seinem Vater im Garten spielt. Kurz danach verändert sich dieses Kind extrem und unwiederbringlich. Er wurde zum Autisten und verschwand in seiner eigenen, für alle anderen unverständlichen Welt. Während der Dreharbeiten ist Owen 23 Jahre alt und kann erstaunlich gut mit seiner Umwelt kommunizieren. Denn sein Leben wurde durch Animationsfilme animiert, und in diesem Sinne hat der Titel eine tiefgehende doppelte Bedeutung. Owen kennt die Zeichentrickfilme der Disney-Studios auswendig und ist durch ihre Geschichten, Figuren und Werte geprägt. Langsam fanden seine Eltern heraus, dass er Dialogsätze aus diesen für seine eigenen Lebenssituationen anwendete und in dieser Form mit ihnen kommunizieren konnte. Wie Owen dadurch zumindest teilweise aus seiner autistischen Isolation befreit werden konnte, wird in diesem bewegenden, philosophischen und ständig überraschenden Film erzählt. Owens Vater, der Journalist Ron Suskind, hat über seinen Sohn ein Buch mit dem gleichen Titel geschrieben und durch dessen Zusammenarbeit mit dem Regisseur erklärt sich der sehr klare, nie in Sentimentalität abgleitende Erzählstil des Films. Diebeiden Eltern erzählen, wie sie langsam in kleinen Schritten herausfanden, wie komplex sich die Erfahrungswelt von Owen durch die Disneyfilme entwickeln konnte, und wie gut sie mit ihm kommunizieren konnten, wenn sie etwa Figuren aus ihnen nachahmten. Der Film ist gespickt mit Ausschnitten aus Disney-Filmen, die jeweils genau deutlich machen, wie Owen durch sie geprägt wurde. Aber es gibt auch extra für den Film animierte Sequenzen, und selten hat das Stilmittel der Animation in einem Dokumentarfilm so gut Stil mit Inhalt vereinigt wie hier. So wurde etwa Owens Geschichte DAS LAND DER VERLORENEN SIDEKICKS, in der er alle Nebenfiguren aus seinen Lieblingsfilmen, mit denen er sich am besten identifizieren konnte, um sich versammelte, animiert, also ein Trickfilm über Trickfilmfiguren gemacht. Und Williams zeigt, dass Owen als 23-jähriger erkennt, wann das Leben auch für ihn kein Disney-Film sein kann. So gibt es dort etwa keinen Sex, doch Owen verliebt sich in eine junge Frau aus seiner Lerngruppe. Arbeit findet er schließlich in einem Kino ? eine schöne Schlusspointe für diese außergewöhnlich gelungene Dokumentation.




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