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FBW-Bewertung: Amelie rennt (2017)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die 13-jährige Amelie empfindet es als eine empörende Ungerechtigkeit, chronisch krank zu sein. Und diese Wut richtet Amelie, die an schwerem Asthma leidet, sowohl gegen die anderen Menschen wie auch gegen sich selbst. So sind ihre Eltern hilflos, weil der sture Teenager sich nicht von ihnen helfen lassenwill, denn sie selber verweigert sich selbstzerstörerisch jeder Heilung und sucht nach immer gefährlicheren Grenzerfahrungen. Gerade weil Mia Kasalo sie als eine auf den ersten Blick alles andere als sympathische Heldin spielt, dürften pubertierende Jugendliche, von den ja viele im Hader mit derWelt leben, sich schnell mit ihr identifizieren. Und die Drehbuchautorin Natja Brunckhorst sowie der Regisseur Tobias Wiemann sind so klug, die Geschichte weitgehend aus ihrer Perspektive zu erzählen. Nach einem Streit mit ihrer Mutter hat Amelie einen lebensbedrohlichen Anfall, nachdem ihre getrennt lebenden Eltern beschließen, sie gemeinsam in eine Klinik nach Südtirol zu fahren, die sich auf chronisch kranke Kinder spezialisiert hat. Doch bei der ersten Gelegenheit reißt sie aus und läuft in die Landschaft ? und zwar bergauf, was für sie besonders gefährlich ist. Schon bald muss sie aus den Stromschnellen eines wilden Gebirgsbaches gezogen werden, und ihr Retter ist der 15-jährige Bart, der ihr von den Feuern auf den Berggipfeln erzählt, die bald entzündet werden und Kranke heilen sollen, die über sie hinwegspringen. Die beiden begeben sich auf eine Art Pilgerwanderung auf den Berg, während die Erwachsenen im Tal Suchaktionen starten und das Schlimmste befürchten. Der Film trifft genau den Ton, in dem die Jugendlichen untereinander und mit Erwachsenen (großer Unterschied) reden und mit dem gleichen Einfühlungsvermögen wird auch das widersprüchliche, provokante und radikale Verhalten von Amelie dargestellt. AMELIE RENNT ist spannend erzählt und mit Amelies Zimmernachbarin Steffi hat der Film eine zugleich anrührende und komische Nebenfigur, die mit einem running gag (?nicht erschrecken...) für einige schöne und (angesichts der chronisch schlechtenLaune der Heldin) sehr willkommene Lacher sorgt. Der Film ist bis in die Nebenrollen (Jasmin Tabatabai als Klinikärztin) glänzend besetzt und Mia Kasalo gelingt es in der Titelrolle, eine subtile Balance zwischen Aggressivität und Schwermut, Trotz und Verletzlichkeit, Todesverachtung und Lebenshunger zu halten. Ein im besten Sinne des Wortes unbequemer und dennoch unterhaltsamer Film.



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