oder

FBW-Bewertung: Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm (2017)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Nicht nur an Schulen gilt:?Brecht geht immer?. Werke Bertold Brechts gehören mittlerweile zum Repertoire jeder Bühne und auch aus den Radio- und TV-Programmen sind sie kaum noch weg zu denken, zumindest aus deren kulturellem Teil. Ganz anders war das zu Brechts Lebzeiten. Nach Erfolgen während der Weimarer Republik wurde es für ihn zunehmend schwieriger, seine gesellschaftskritischen Stücke aufzuführen.

Joachim Lang folgt mit seinem Spielfilm MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM der realen Entstehungsgeschichte einer von Brecht geplanten Verfilmung der Dreigroschenoper. In interessanter Wechselwirkung von Theaterstück, geplanter Verfilmung und sowohl zeitgenössischer wie auch zeitloser Gesellschaftskritik führt er seinen Zuschauern unversehens die Grundzüge von Brechts epischem Theaters vor Augen.

Der Titel deutet es bereits an: MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM setzt durchaus hohe Ansprüche an sein Publikum. Dabei erfordern 136 Minuten gar kein außergewöhnliches Sitzfleisch. Lang gönnt seinen Zuschauern nur wenige Minuten, um Atem zu schöpfen. Zumindest für Nichtbrechtianer strotzt der Film vor Informationen aus Leben und Wirken Bertold Brechts. Lang arbeitet mit ineinandergreifenden Rahmenhandlungen. Dabei wechseln sich zeitgenössisches Kolorit, harte Gesellschaftskritik und Hintergründe der (Nicht-)Verfilmung mit den frechen Tönen und Szenen der Dreigroschenoper ab. Aber irgendwie gehört ja auch alles zusammen. Das alles muss natürlich wirken. Der Jury ist es erst in der Filmdiskussion komplett gelungen, die einzelnen Handlungsfäden zu verknüpfen und die Klugheit von Langs Filmprojekt zu erkennen. Der Regisseur folgt nicht nur mit der Handlung dem Nonkonformisten Brecht, sondern übernimmt auch dessen nichtkonforme Dramaturgie.

Raffiniert arrangiert Lang die Handlungsebenen, bricht inszenatorisch mit der gängigen, raumzeitlich-chronologischen Darstellung und überrascht mit der Durchdringung von Stück, zeitgenössischem Hintergrund, Gesellschaftskritik und natürlich Brechts Arbeiten an der Verfilmung der Dreigroschenoper. Auflockerung findet seine Dramaturgie in den, musikalisch noch immer gut funktionierenden, Kurt Weill-Titeln aus der Dreigroschenoper.

Der Dramaturgie folgt die bildliche Umsetzung. Der Film springt von Theaterkulissen zu Realbauten und spielt mit Lichtmodellierung und theaterhafter Beleuchtung. Auch hier scheinen sich Realität und Bühne zu durchdringen. Das sorgt für Irritationen und schafft Distanz. Ganz im Brecht'schen Sinne kann Lang damit erreichen, dass sein Publikum nicht einfach nur konsumiert, sondern mitdenkt und sich engagiert. Dass es für so eine Inszenierung eines ausgezeichneten Casts bedarf, versteht sich, und der Regisseur konnte sich tatsächlich eines tollen Ensembles versichern. Tobias Moretti, Hanna Herzsprung, Joachim Król, um nur einige zu nennen, agieren hervorragend. Auch Lars Eidinger überzeugt, wenn er auch, nachAuffassung der Jury, den Charakter in manchen Sequenzen etwas zu eindimensional anlegt.

Mit MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM hat Regisseur Joachim Lang eine filmische Herausforderung an die Zuschauer geschaffen. Ganz im Sinne Brechts ist es eine noch immer gültige, profunde Kritik an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen geworden, aber auch eine Hommage an Brecht und eines seiner bekanntesten Werke. Man muss sich einfach nur die Zeit nehmen, sich wirklich darauf einzulassen.




Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.