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FBW-Bewertung: Die Verlegerin (2017)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Als Kay Graham 1963 die Verlagsführung der Washington Post erbt, wirkt sie wie eine der vielen Ausnahmen von der Emanzipation ihrer Zeit. Eine Frau, die sich von Männern nicht nur beraten, sondern auch leiten lässt. Das ändert sich, als ihre Zeitung 1971 in den Besitz der ?Pentagon-Papiere? gerät, die über die wahren Hintergründe des Krieges der USA in Vietnam aufklären. Nun bietet Kay Graham der US-Regierung die Stirn, und entscheidet sich, die Story zu den Papieren zu veröffentlichen, auch wenn sie damit ihre Zeitung und sogar ihre Freiheit riskiert, denn die US-Regierung setzt alles daran, die Geschichte zuvertuschen.

In einer Zeit, in der sich Medien sowohl von der Quote, als auch, wie sich besonders in den USA wieder zeigt, von Einschüchterungsversuchen von Regierungsseite beeindrucken lassen, erscheint DIE VERLEGERIN wie ein wohltuender Blick zurück auf journalistische Tugenden. Steven Spielberg hat mit seiner neuesten Regiearbeit einen, im positivsten Sinne konventionellen, guten alten Film gedreht, der konsequent 35mm-Technik nutzt und nicht nur damit an Filme wie DIE UNBESTECHLICHEN erinnert.

Mit Meryl Streep in der Titelrolle ist DIE VERLEGERIN zudem hervorragend besetzt. Streep verkörpert mit jeder Faser ihres Körpers eine Frau, die sich zunächst in das 1970er Jahre-Rollenverständnis einer Frau fügt und nicht traut zu sein, wozu sie sich eigentlich berufen fühlt. Sie versucht die Zeitung zu retten, indem sie dem Rat ihres Finanzmanagers Fritz folgt und die Zeitung an dieBörse bringt. Spielberg lässt Graham zunächst konsequent blass hinter die Aktivitäten von Bänkern zurücktreten. Dazu versteckt sich auch hinter dem von Tom Hanks gespielten Washington Post-Chefredakteurs Ben Bradlee. Als Vollblutjournalist ist der nicht nur auf der beständigen Suche nach einer guten Story, sondern steht auch im dauernden Konkurrenzkampf zur New York Times. Ein Charakter, den Hanks hervorragend zu verkörpern weiß.

Die emanzipatorische Geschichte Grahams unterstützt der Film inszenatorisch, indem er seine Zuschauer anfangs mit einer Fülle von Informationen ?übergießt?. Namen, Daten, Fakten fliegen förmlich über die Leinwand, Dialoge werden akustisch so wenig aufgelöst, dass die Zuschauer gleich der Verlegerin das Gefühl bekommen, fehl am Platzzu sein. Immerhin ist sie nur in ihrer Position, weil ihr verstorbener Mann diese hinterlassen hatte, wie ihr immer wieder deutlich gemacht wird. Doch je weiter Spielberg den Plot vorantreibt, desto mehr arbeitet er die Details in Dialogen und Handlungen heraus und stellt auch dadurch die VerlegerinGraham als eigentlich handelnde Person vor.

Der Höhepunkt des Films ist erreicht, wenn Grahams Reporter hochtourig um die Informationen aus den Pentagon-Papers ringen und Graham gleichzeitig von Geldgebern, Anwälten und Vorständen belagert wird, die ihr empfehlen, sich nicht mit der Regierung anzulegen. Spielberg inszeniert Politik und Wirtschaft so spannend wie einen Thriller. Auch wenn DIE VERLEGERIN ein sehr ?erwachsener? und damit reifer Film ist, hat er die Jury vom ersten Moment an emotional gefesselt. Mit hervorragendem Licht, perfekter Kamera und überragendem Score bringt Spielberg einen großen Moment der Emanzipation auf die Leinwand. Die Jury hat aber auch goutiert, dass Spielberg in seinem Vollblutdrama dem Publikum immer wieder auch ruhige und bisweilen geradezu heitere Momente der Entspannung spendiert. So etwa, wenn Bradlees Tochter Limonade an die Post-Journalisten verkauft oder wenn einer aus seinem Team beim Telefonieren, in Slapstick-Manier, Münzen verliert. Doch nichtsdestotrotz gehen auch diese vergnüglichen Sequenzen sogleich wieder in atemberaubende Spannung über. DIE VERLEGERIN handelt sowohl von der Wichtigkeit einer unabhängigen Presse wie auch von der Rolle, die Frauen bisweilen noch heute in der Wirtschaft zugestanden wird. Zwei unterschiedliche Storys, doch gleichsam stark erzählt und erstklassig inszeniert. Schauspiel, Licht, Ton, Schnitt, Kamera und auch Inhalt: Spielbergs Drama ist bis ins Detail stimmig und so kann die Jury dem Film eigentlich nur zum Vorwurf machen, dass sie einfach in allen Belangen mit ihm einverstanden ist. Ein Vorwurf, der sicherlich zu ertragen sein wird.





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