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FBW-Bewertung: Die Nacht der Nächte (2017)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: In guten und in schlechten Zeiten? Ein Leben lang!? Wie lange halten heute noch Partnerschaften oder Ehen? Zwei Generationen früher war diese Dauer gewollt oder ungewollt eine Frage der Konvention der Gesellschaft. Der Druck von Moral, von wirtschaftlicher Abhängigkeit, vom gesellschaftlichen Ruf, gerade in Zeiten des Patriarchats ? da ging man nicht so schnell oder gar nicht auseinander, auch wenn es manchen Ehepartnern lebenslanges Leid verschaffte. Und Glück in der Ehe und eine erfüllte Sexualität ? das waren dabei oftmals nicht die Themen, obwohl die Tradition der Hochzeitsnacht und das berühmte ?erste Mal?natürlich eine Rolle spielten.
Wir erleben vier Ehepaare aus vier Ländern und drei Kontinenten, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Doch alle vier Paare zeichnet eines aus: Sie haben es geschafft, mehr als 50 Jahre zusammen zu bleiben, und es scheint, als ob tatsächlich der Tod sie erst scheiden wird. Sie erzählen offen und ehrlich, wie sie sich kennen gelernt haben und was es bedeutet, so viele Jahrzehnte ein Leben gemeinsam zu verbringen. Das Ehepaar Rotthäuser aus Deutschland sieht sich heute noch nicht auf der sicheren Seite eines dauerhaften Beisammenseins. Das Ehepaar Sugihara aus Japan fand mehr in einer Zweckehe zusammen, was aber glücklicherweise in eine echte Liebe führte. Der Inder Hampana erzwang sein Eheglück mit einer List über alle Kastenzwänge hinweg. Und das homosexuelle Paar Norman MacArthur und Bill Novak aus USA musste so viele Jahrzehnte durch das Verbot der Homosexualität im Verborgenen ihr Leben teilen, bis sie nach 53 Jahren endlich heiraten konnten.
Die vier Lebensgeschichten stehen auf eine bestimmte Weise exemplarisch für viele andere. Sie sind der Beweis dafür, dass das Leben keine Feier ist, sondern in guten und auch in harten Zeiten von jedem viel zu fordern vermag. Die Bereitschaft dazu, eine Portion Verzicht auf sein Ego und viel Toleranz, die Eigenarten des Partners oder der Partnerin zu ertragen, gehörendazu. All dies zeigt der Film in Fülle. Er ist aber bestimmt kein großes Plädoyer für den Status der Ehe, vielmehr für die Erfüllung von Lebensglück in einer Partnerschaft. Durch die Auswahl der vier Paare bietet der Film aber auch eine Reise durch die Kontinente und durch die Kulturgeschichten der Länder. Das ist spannend und berührend zugleich. Ein gelungener Kunstkniff ist das Spiel der eingefügten animierten Knetfiguren. Diese verkörpern nicht nur verblüffend die Identität der Protagonisten, sondern karikieren auch liebevoll deren Eigenarten.
Eine schöne Kameraführung und eine perfekte Montage, die auf eine lineare Erzählung der vier Lebensgeschichten verzichten konnte und außerdem durch die Animationen bereichert wurde, gehören zu den handwerklichen Leistungen eines Filmes, der nicht nur das erfahrenere Kinopublikum ansprechen dürfte. Denn die Geschichten der Menschen sind für alle Altersgruppen ein großer Hör- und Sehgenuss.



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