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FBW-Bewertung: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (2018)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Wenn die Verfilmung eines Flüchtlingsschicksal ganz im Stil gängiger Jugendfilme wie OSTWIND beginnt, dann können schon einmal die Alarmglocken klingen. Doch bei der Verfilmung des erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchklassikers ?Als Hitler das rosa Kaninchen stahl? besteht dazu kein Anlass. Zwar ist Regisseurin CarolineLink mit der Anlehnung an populäre Kinder- und Jugendfilme ein Wagnis eingegangen, allerdings kann sie mit diesem Wagnis ihr Zielpublikum sicherlich schnell gewinnen. Gleich in der ersten Szene wohnen die Zuschauer einer Faschingsfeier bei. Begleitet von treibender Musik tollen verkleidete Kinderdurch ein Zimmer und auch das Auftauchen deutschen Jungvolks vermag den Mummenschanz kaum zu stören. Ein Jahr vor Hitlers Machtergreifung scheint die Kinderwelt noch heil. Noch! Denn was kommen wird, ist den kleinen Akteuren nicht bewusst.

Auch 48 Jahre nach Erstveröffentlichung gehört Judith Kerrs 1971 zum ersten Mal erschienener Roman ?Als Hitler das rosa Kaninchen stahl? noch immer zum Lesestoff in Deutschlands Schulen. Und tatsächlich ist die Geschichte der neunjährigen Anna, die mit ihrer Familie aus Nazi-Deutschland flieht, stets aktuell geblieben.

Caroline Links Neuverfilmung erzählt die Geschichte der Flucht aus Nazideutschland konsequent auf Augenhöhe ihrer kleinen Protagonistin. Dadurch ergibt sich eine äußerst interessante Perspektive. Da Anna selber nie direkten Kontakt mit Nationalsozialisten und ihren Gräueltaten hat, bleibt die Gefahr, die von ihnen ausgeht, sogar für die Zuschauer mit reichlich Kenntnis von Nazideutschland stets genauso imaginär wie auch deutlich latent spürbar. Insbesondere ihre Eltern werden für Anna zur Projektionsfläche des Geschehens in der großen, weiten Erwachsenenwelt. Eine Idee, die gut funktioniert und die die Jury absolut überzeugt hat.

Ein wenig krititscher wertet die Jury dagegen den insgesamt doch recht melodramatischen Charakter des Films. Jedes Gefühl, jede noch so kleine Regung dramatisiert Caroline Link mit entsprechender Musik. In der Diskussion zeigte sich, dass die Jury den Zuschauern hier gerne ein wenig mehr interpretatorischen Freiraum gegönnt hätte. Die Kamera erschien ihr, im Gegensatz dazu, hin und wieder zu wenig inspiriert undbeliebig.

Als sehrüberzeugend hat die Jury die schauspielerischen Leistungen gewertet. Insbesondere die Figur der Anna sieht sie mit Newcomerin Riva Krymalowski hervorragend besetzt. Gerade die kindliche Offenheit, die sie während des gesamten Films verkörpert, hat die Jury vollends überzeugt.

ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL ist ein insbesondere auf die Filmerfahrungen eines jüngeren Publikums zugeschnittener Film, der nicht nur die NS-Zeit und den Holocaust thematisiert, sondern vor allem auch Flucht, Vertreibung und Heimatlosigkeit. Themen, die heute mehr denn je zu zentralen Themen unsere Gesellschaft geworden sind. Und damit eben Themen, die auch filmisch weder früh, noch oft genug behandelt werden sollten.



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