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FBW-Bewertung: Die Adern der Welt (2019)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Byambasuren Davaas Langfilm führt die Zuschauer in die mongolische Steppe. Hier lebt der elfjährige Amra zusammen mit Vater und Mutter. Auch wenn er in einer traditionellen Jurte zuhause ist kennt er doch Smartphones, YouTube und TV-Casting-Shows. Und er kennt auch die Auswirkungen der Rohstoffausbeutung die internationale Konzerne betreiben. Amras großer Traum ist es, einmal bei ?Mongolia's got Talent? singen und zu gewinnen. Doch genau an dem Tag, als er endlich die Unterschrift zur Teilnahme an der Show bekommt, geschieht ein furchtbares Unglück.

DIE ADERN DER WELT betrachtet die Herausforderungen der Moderne auf den traditionellen, nomadischen Lebensstil aus Augenhöhe eines Kindes. Mit dem großen Einschnitt in Amras Leben zerrinnen seine Träume. Um den Lebensunterhalt zu sichern, schwänzt er die Schule, um für illegale Goldgräber zu arbeiten.

Byambasuren Davaa setzt die Wirkung der mongolischen Natur klug um. Alles Menschliche erscheint winzig vor der Weite der Landschaft. Begeistert hat die Jury die schönen Bilder aufgenommen, mit denen der Film in die mongolische Abgeschiedenheit entführt. In mehr als angemessenem, ruhigen Tempo lässt DIE ADERN DER WELT teilhaben am provinziellen Alltagsgeschehen. Zunehmend aber verdichten sich die Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Die multinationalen Konzerne graben sich immer weiter in die Landschaft und verdrängen traditionelle Lebensformen. Familie und Geschäft, Tradition und Moderne, Kindheit und Erwachsen bilden, so die Jury, gleich auf mehreren Ebenen eine interessante Geschichte.

Obwohl der Tagebau selbst nur am Rande zu sehen ist, vermag DIE ADERN DER WELT mit seinem vertiefenden Blick in die mongolische Kultur weitaus besser als manch Dokumentation zu vermitteln, was der Eingriff der Konzerne für das Leben dort bedeutet. Immerhin, so erzählt der Film, sind 1/5 der Landesfläche als Abbaugebiet ausgewiesen. Und so stehen die nomadisierenden Hirten vor der Entscheidung, ihre Herden zu verkaufen und das Land zu aufzugeben oder den Kampf gegen die Konzerne aufzunehmen.

Mit Interesse folgte die Jury Amra auf seiner Reise von kindlicher Unschuld, Trauer und Sinnsuche bis zum Wiederentdecken von Familie und Tradition. Mit toll gezeichneten Charakteren, gelungenen Dialogen und fühlbarer Bescheidenheit hebt sich der Film positiv vom durchschnittlichen Filmeinerlei ab. Sogar die Synchronisierung wirkt auf die Jury gelungen, was nicht selbstverständlich ist.

Durchweg hat Regisseurin Byambasuren Davaas auf hervorragende Schauspieler zurückgreifen können, die mit ihrem nahezu selbstverständlichen Spiel mit dazu beigetragen haben, dass sich die Jury stets angesprochen gefühlt hat. DIE ADERN DER WELT ist ein wirklich sehenswerter Film aus einem fast noch unbekannten Teil der Erde, der mit seinem stillen Understatement große Wirkung entfalten kann.



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