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FBW-Bewertung: Weissbier im Blut (2020)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Nur oberflächlich orientiert an den aktuell populären Heimatkrimis aus Bayern, dreht die eigene Literaturadaption von Jörg Graser die Schraube eine Stufe weiter und erschafft ein schonungsloses und satirisches Bild, wie man es eher aus dem österreichischen Kino (die Brenner-Filme nach Wolf Haas etwa) kennt: Gesellschaftskritik in Form eines gegen den Strich gebürsteten Kriminalfilms.
Kreuzeder (Sigi Zimmerschied) war einst ein erfolgreicher Kommissar, inzwischen klärt er kaum noch einen Fall auf. Ihn beschäftigt stattdessen die Frage nach Schuld und Vergebung. Nach über 20 Jahren im Dienst will er möglichst schnell in Pension gehen und den Alltag im Morddezernat Niederbayern hinter sich lassen. Resigniert betrinkt er sich im Wirtshaus und flirtet dort spröde mit der Kellnerin Gerda Bichler (Luise Kinseher), anstatt seiner Arbeit nachzugehen. Als am abgelegenen und ? wie sich herausstellt ? hoch verschuldeten Bauernhof der Holzners (Max Schmidt und Eva Sixt) eine kaum zu identifizierende Leiche im Mähdrescher entdeckt wird, übernimmt Kreuzederdie Ermittlungen zunächst nur widerwillig. Während zwei weitere Tote auftauchen, soll Kreuzeder sich bei der Polizeipsychologin Frau Dr. März (Brigitte Hobmeier) analysieren lassen. In emotionalen Beziehungen verstrickt, gelingt es Kreuzeder eher beiläufig, den Fall zu klären. Doch hier liegtnicht das Ende, sondern ein neuer Anfang.
Mit den Mitteln des satirischen Heimatfilms geht der Film WEIßBIER IM BLUT der philosophischen Frage nach Gerechtigkeit nach, die in beispielhaften Szenen und lakonischen Dialogen diskutiert wird. Die Inszenierung baut ganz auf interessante Antihelden und die Umkehr der Rollenerwartungen in einer an sich vertrauten Welt. Auf selten souveräne Weise treibt Graser sein Spiel mit gesellschaftlichen und Geschlechter-Klischees, welches durch die überzeugende Besetzung getragen wird. Die Bildwelt ergänzt diese durch die konsequent schmutzige Stilisierung einer harschen ländlichen Umgebung.
Nuräußerlich dem Genre des Kriminalfilms und dem Heimatfilm verpflichtet, variiert WEIßBIER IM BLUT gängige Klischees der bayrischen Kultur und gewinnt daraus eine treffende Metapher für menschliche Fehlbarkeit und die Kraft der Vergebung. Die Jury war sich einig, das Prädikat besonders wertvollzu vergeben.



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