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FBW-Bewertung: Respect (2020)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Ob THE UNITED STATES VS. BILLIE HOLIDAY, BOHEMIAN RHAPSODY oder auch ROCKET MAN: Musiker-Biopics sind seit ein paar Jahren sehr im Trend. Und in diesen Trend reiht sich auch RESPECT ein, die filmische Biografie Aretha Franklins, bei der im Entstehungs- und Inszenierungsprozess vornehmlich Frauen die Verantwortung trugen.

Gleich zu Beginn des Films erfahren die Zuschauer, dass Aretha Franklin schon als kleines Kind Gäste unterhalten musste. Nicht nur im Gospelchor der Gemeinde ihres Vaters konnte man ihrer Stimme lauschen, sondern auch abends auf dessen Empfängen. Aber trotz ihres unbestrittenen Talents war es ein langer Weg für Aretha, bis sie endlich die Musik machen konnte, die sie wollte: Songs mit einer Botschaft.

RESPECT ist nicht nur ein Biopic, sondern auch ein mustergültiges Dokument über familiäre Machtverhältnisse und weibliche Emanzipation. Der Film zeigt die dominante Haltung der Männer in Aretha Franklins Leben. Ihr Vater, genau wie später ihr erster Ehemann, haben Arethas Talent früh erkannt, sie als musikalische Kostbarkeit für sich entdeckt und besitzen wollen und dementsprechend auch gegen alle Welt verteidigt. Die Sängerin selbst hätte dabei eigentlich nur verlieren können, hätte sie sich nicht eines Tages auf ihre Stärken besonnen und die sie bevormundenden, Männer in den Wind geschossen. Das Streben nach Würde und Respekt, das Arethas Mutter ihr einst beigebracht hat, beginnt ihr musikalisches Schicksal tatsächlich zu verändern. Sie übernimmt zunehmend mehr Verantwortung für ihre Songs und engagiert sich sogar in der Bürgerrechtsbewegung Martin Luther Kings.

Diese Stärke hat Liesl Tommy auch in ihre Dramaturgie übersetzt. Tatsächlich hat die Jury kaum eine Szene gefunden, bei der Aretha Franklin nicht zu sehen ist. Selbst dann, wenn nur über sie gesprochen wird, erscheint sie im Bild. RESPECT erweist der talentierten und wirklich vielfältig orientierten Sängerin großen Respekt. Auch wenn sich historisch nicht alles so zugetragen hat, wie Liesl Tommy es erzählt, ist RESPECT eine geglückte Hommage an die 2018 verstorbene Sängerin. Mit viel Sinn für zeitgenössisches Flair und Ambiente der 50er, 60er und 70er Jahre und hohem Unterhaltungswert.

Regisseurin Liesl Tommys Debütleinwandfilm lebt von der Performance Jennifer Hudsons in der Rolle Aretha Franklins. Echtes Gänsehautfeeling kommt auf, wann immer sie singt. Mehr noch, ihr Gesang treibt den ganzen Film voran. Kein Wunder dass Aretha Franklin selbst Hudson als diejenige auserkoren hatte, die sie einmal auf der Leinwand spielen sollte.

Sicherlich ist RESPECT in erster Linie ein Unterhaltungsfilm, dennoch hätte sich die Jury hin und wieder noch ein wenig mehr Tiefe dort gewünscht, wo die dunklen Momente, sprich: ?der Teufel?, wie es im Film heißt, in Aretha Franklins Leben angesprochen wurde. Das Geheimnis um ihre frühe Mutterschaft mit 12(!) wird zwar zaghaft belichtet, nie aber vollends ausgeleuchtet und im familiären Bereich reißt der Film noch diverse, unterbelichtete Flecken an. Als oberflächlich möchte die Jury den Film dennoch nicht verstanden wissen. Auf 146 Minuten Lauflänge werden immer wieder Informationen nachgereicht, die erahnen lassen, wie komplex und ambivalent die Verhältnisse in der Familie Aretha Franklins gewesen sein müssen.

Und natürlich ist RESPECT auch ein Dokument über afroamerikanische Kultur in Amerika. Ein Film über die Wurzeln von Gospel und Blues, von Jazz, Soul und Pop. Musikalisch war Aretha Franklin fast überall Zuhause. Physisch und psychisch hat sie wiederum lange nach einem Zuhause gesucht. Und so ist auch Jennifer Hudsons Aretha taff und zerbrechlich, gebrochen und wieder auferstanden. RESPECT ist das emotionale Porträt einer Musiklegende, das die Jury einstimmig mit dem Prädikat ?besonders wertvoll? auszeichnet.



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