oder

FBW-Bewertung: Das Land meines Vaters (2021)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Wie wird man, wer man ist, wie bewahrt man sich seine Eigenständigkeit, wenn man den Hof seines Vaters übernimmt und versucht, in einer sich rasch wandelnden Umwelt den Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und den notwendigen Anpassungen an die Industrialisierung der Landwirtschaft zu schaffen? Edouard Bergeon kennt all das aus seiner eigenen Kindheit und Jugend, denn die Geschichte, von der er erzählt, ist die Geschichte seines Vaters und damit auch seine eigene.

Im Jahr 1979 ist der junge Pierre Jarjau gerade aus den USA, wo er auf einer Farm gearbeitet hat, auf den Bauernhof seines Vaters im Nordwesten Frankreichs zurückgekehrt und schickt sich an, den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters zu übernehmen - und zwar zusammen mit seiner Jugendfreundin Claire, die er bald heiraten wird. Allerdings ist das Verhältnis von Pierre zu seinem Vater nicht ohne Anspannungen. Und geschenkt wird dem jungen Mann nichts. Auch die folgenden Jahre erweisen sich als herausfordernd und die Schulden bauen sich immer mehr auf, bis Pierre keinen Ausweg mehr sieht und sich zunehmend resigniert immer mehr in sich zurückzieht. Also dann noch ein Unglück auf dem Hof geschieht, wird die Situation immer unerträglicher.

Im Frankreich war Edouard Bergeons Spielfilmdebüt Das Land meines Vaters ungemein erfolgreich und landete auf Platz 1 der Kinocharts. Ob dem Film solch ein Erfolg auch in Deutschland beschieden ist, kann die Jury natürlich nicht einschätzen. Auf alle Fälle bietet der Film interessante und bislang eher sträflich vernachlässigte Einblicke in das Leben als Landwirt und zeigt, welchem Wandel und welchen Herausforderungen dieser Berufsstand unterworfen ist.

Getragen wird der Film von wunderbaren Hauptdarsteller*innen, bei denen vor allem Veerle Baetens, Guillaume Canet und Rufus herausragen. Dabei beweisen sie auch großen Willen zur Authentizität und zeigen sich derart abgearbeitet, müde und schmutzig, dass man ihnen die harte Arbeit auf dem Land sofort abnimmt und keinen Moment am Wahrheitsgehalt des Gezeigten zweifelt. In vielen Momenten spürt man deutlich, dass der Regisseur den mühevollen Alltag auf dem Land nicht nur sauber recherchiert hat, sondern ihn aus eigener Anschauung kennen muss. Bemerkenswert ist zudem die Vielschichtigkeit der Emotionen, die sorgsame Balance zwischen Momenten voller Freude und Episoden der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, die sich auch in sehr unterschiedlichen Lichtstimmungen ausdrückt. Hinzu kommt eine Ausstattung, die zu keinem Moment je wie eine Kulisse erscheint, sondern einen scheinbar sehr authentischen Blick auf das gezeigte Milieu vermittelt - auch hier dürfte Edouard Bergeons eigenen Geschichte sich als Glücksgriff erwiesen haben.


DAS LAND MEINES VATERS ist ein Film, der zum Diskutieren und Nachdenken anregt und der die Jury mit kleinen Abstrichen bei der Dramaturgie sehr zu überzeugen wusste, sodass sie sich einstimmig für die Vergabe des Prädikats ?besonders wertvoll? entschloss.



Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.