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FBW-Bewertung: Das Glaszimmer (2020)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Es herrscht ganz sicher kein Mangel an Filmen, seien es Dokumentar- oder Spielfilme, in denen vom Zweiten Weltkrieg und der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland erzählt wird. Selten wird dabei aber auf die Interessen und Sehgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen geachtet, die von den konventionellen ?Geschichtsstunden? eher abgeschreckt werden. In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass Christian Lerch in DAS GLASZIMMER aus der Perspektive eines elfjährigen Jungen erzählt, denn so kann sich ein junges Publikum schnell mit dem Protagonisten identifizieren. Es wird neugierig darauf, wie sich die Verhältnisse, in denen Felix und seine Mutter Anna leben, von denen unterscheiden, in denen sie selbst heute aufwachsen. Und Christian Lerch macht dabei vieles richtig. Felix und seine Mutter kommen aus dem zerbombten München in Annas Heimatdorf in Niederbayern. Und da sich Felix hier nicht auskennt, sucht er ganz natürlich Antworten auf viele Fragen, durch die die jungen Zuschauer*innen das Milieu, die historische Situation kurz vor dem Kriegsende und das Lebensgefühl in den letzten Tagen unter Hitlers Herrschaft kennenlernen. Um dies stimmig und detailreich zu erzählen, hat Christian Lerch das Drehbuch zusammen mit Josef Einwanger geschrieben, der als Zeitzeuge aus erster Hand über diese Epoche erzählen kann. Der Mikrokosmos niederbayerisches Dorf wirkt dann auch glaubwürdig, auch wenn der Dorfnazi Feik ein wenig klischeehaft als kleiner Dorfdespot auftritt. So ist es auch für ein junges Publikum nachzuvollziehen, dass Felix sich zuerst blenden lässt und zum Mitläufer bei den Nazis im Dorf wird, weil er von Feiks Sohn Karri und den anderen Kindern anerkannt werden will. Als dann später Felix? Vater im Dorf auftaucht und sich als Deserteur verstecken muss, wird Felix vor eine schwierige, moralische Entscheidung gestellt. Im Ansatz ist diese Geschichte, so die Jury, geschickt und immer mit einem Blick auf das Zielpublikum erzählt. Lerch inszeniert atmosphärisch reich und das Ensemble der Darsteller*innen wurde überzeugend gecastet und geführt.



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