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Unruh (2022)

Unrueh

Zeitenwende: Historiendrama über einen russischen Kartografen, der in der Schweiz mit dem Anarchismus vertraut gemacht wird.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3 / 5
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Im Jahr 1877 kommt der russische Kartograf Pyotr Kropotkin (Alexei Evstratov) in ein Tal im Schweizer Jura. Hier möchte er nicht nur neue Karten der Gegend erstellen, sondern sich auch mit den Ideen der Arbeiterschaft einer Uhrenfabrik vertraut machen, die sich zu einer anarchistischen Gewerkschaft zusammengeschlossen haben. Eine davon ist Josephine Gräbli (Clara Gostynski), die die Unruh, die Herzkammer einer jeden Uhr, in die Uhren setzt. Den Anarchisten gegenüber steht der Fabrikbesitzer Roulet (Valentin Merz), der nationalistische Tendenzen unterstützt.

In der beschaulichen Uhrmachergemeinde ist viel los. Das Telegrafenamt brummt. Auch Kropotkin schickt Telegramme in die Heimat und in die USA. Ein Fotograf (Mayo Irion) bietet die im Ort aufgenommenen Erzeugnisse seiner neumodischen Apparatur feil. Und zwei Gendarmen drehen ihre Runden, um die Uhren im Ort, die je nach Lage nach einer anderen Zeit ticken, zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu stellen.

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UnruhUnruhUnruhUnruhUnruhUnruh - Cyril Schäublin

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse3 / 5

Wer an die Schweiz denkt, hat eher Uhren als Anarchismus im Kopf. Das Uhren und Anarchismus nicht nur zusammengehen, sondern in der Schweiz das eine aus dem anderen hervorging, zeigt Cyril Schäublin in seinem zweiten langen Spielfilm. Wie schon sein Debüt "Dene wos guet geit" (2017) setzt auch "Unruh" auf eine eigenwillige Ästhetik und erzählt von unruhigen Zeiten.

Diesmal geht es zurück ins Jahr 1877. Europas Nationalstaaten stecken noch in den Kinderschuhen oder entstehen gerade erst. Und in einem Uhrmachertal im Schweizer Jura entwickelt sich eine quicklebendige Strömung des europäischen Anarchismus, die im Kontrast zu den liberalen, patriarchalen und nationalen Bestrebungen jener Jahre steht. Erstere geht von den Arbeitenden, Letztere von den Fabrikbesitzern aus. Schäublin stellt beide Positionen unkommentiert, aber einander kommentierend gegenüber.

Von einer wirklichen Handlung im klassischen Sinn kann denn auch keine Rede sein. Der 1984 in Zürich geborene Filmemacher präsentiert vielmehr aneinandergereihte szenische Tableaus, die er abermals mit ausgeprägtem Gestaltungswillen auf die Leinwand zwingt. Schäublins eigenwillige filmische Form widerspricht den inhaltlich unruhigen Zeiten. Sie ist vollkommen entschleunigt, starr und distanziert. Nicht selten fängt die an einem Fleck verharrende Kamera das Geschehen aus großer Entfernung und wie durch einen Gazeschleier gefilmt ein. Die Figuren sind häufig an den Rand gedrängt und drohen, in der Einstellung verloren zu gehen.

Was Schäublin hier ebenso kunstvoll wie künstlich von Laiendarstellern vortragen lässt, ist jedoch mehr als historisches Theater; es hat auch Bezüge zu unserer Gegenwart. Es ist spannend zu beobachten, wie zu Beginn der Zeitmessung noch verschiedene Zeiten miteinander konkurrierten, bevor alles der Arbeitszeit untergeordnet wurde. Dabei wirft Schäublins Ausflug ans Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur die Frage auf, wie eine anarchistische Schweiz, ja ein anarchistisches Europa heute aussehen könnten, wären die Dinge damals anders verlaufen. Er stellt auch unser Verständnis von und unser Verhältnis zur Zeit, Arbeit und Technik infrage.

Fazit: Auch Cyril Schäublins zweiter langer Spielfilm erzählt von unruhigen Zeiten und setzt auf eine eigenwillige Ästhetik. Es geht um Uhren und Anarchismus im Jahr 1877 und darum, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Kunstvoll, aber auch ausgesprochen künstlich wirft "Unruh" Fragen auf, die bis in unsere Gegenwart reichen.




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Besetzung & Crew von "Unruh"

Land: Schweiz
Jahr: 2022
Genre: Drama, Historie
Originaltitel: Unrueh
Länge: 98 Minuten
FSK: 6
Kinostart: 05.01.2023
Regie: Cyril Schäublin
Darsteller: Valentin Merz als Factory Director Roulet, Alexei Evstratov als Pyotr Kropotkin, Clara Gostynski als Josephine Gräbli, Monika Stalder als Mireille Paratte, Nikolai Bosshardt als Termineur Künzli
Kamera: Silvan Hillmann
Verleih: Grandfilm

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