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Petrov's Flu (2023)

Postsowjetische Phantasmagorie: Kirill Serebrennikov hat Alexey Salnikovs Roman "Petrow hat Fieber" kongenial verfilmt.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4.0 / 5

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Russland in der Übergangsphase von Boris Jelzin zu Wladimir Putin: Ausgerechnet an Silvester wird Familie Petrov, die in Jekaterinburg lebt, von Grippe geplagt. Vater Petrov (Semyon Serzin) läuft seinem Nachbarn Igor (Yuri Kolokolnikov) in die Arme und begibt sich mit ihm in ein Saufgelage, das ihn tief in seine Erinnerungen und zurück in die Vergangenheit führt. Petrovs Frau (Chulpan Khamatova) schlägt sich als Bibliothekarin buchstäblich mit lästigen Kunden herum, auf die sie nach Feierabend Jagd macht. Und der Sohnemann (Vladislav Semiletkov) droht aufgrund seines Fiebers die anstehende Weihnachtsfeier zu verpassen. Derweil erinnert sich Petrov an eine Weihnachtsfeier aus seiner eigenen Kindheit, auf der womöglich auch seine zukünftige Schwiegermutter zugegen war, ohne dass er davon wusste.

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse5 / 5

Ein Satz, der spät in dieser kongenialen Romanverfilmung fällt, bringt das bis dahin Dargebotene auf den Punkt. "Bist du real"?, fragt der kleine Petrov während einer Weihnachtsfeier eine als Märchengestalt Snegurotschka verkleidete Frau. Zu diesem Zeitpunkt in der Filmhandlung ist das Kinopublikum mit dem Protagonisten tief in dessen Kindheitserinnerungen hinabgestiegen. Was echt und was ausgedacht, was erinnert und was eingebildet, was geträumt und was halluziniert ist, kann es längst nicht mehr unterscheiden.

"Petrov's Flu" ist kreatives Chaos in Form eines Fieberwahns. Handlungsstränge, Formen und Genres gehen fließend ineinander über. Und die Ideen scheinen Regisseur und Drehbuchautor Kirill Serebrennikov und seinem Vorlagengeber Alexey Salnikov dabei nie auszugehen. Mal ist Serebrennikovs Film bitterböse Politparabel, in der der von Semyon Serzin gespielte Petrov gewaltsam aus einem Bus gezogen wird, um an einem Erschießungskommando teilzunehmen, mal mutiert der Film zu einer blutigen Superheldenparodie, wenn Petrovs von Chulpan Khamatova verkörperte Frau ihren Körper als Waffe gegen verhaltensauffällige Männer einsetzt. Eine Leiche geht verloren, Außerirdische kommen zu Besuch, eine Frau stellt sich alle Männer in ihrer Umgebung nackt vor und, und, und ...

Mitunter ist das zu viel und wirkt so, als sei alles, was sich über Jahre hinweg in Serebrennikov angestaut hat, auf einen Schlag aus ihm herausgeplatzt. Wie meisterhaft und wagemutig er diesen kreativen Ausfluss über die Leinwand ergießt, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Ganz ohne Computereffekte, stattdessen mithilfe nebeneinandergebauter Sets stürzt die Titelfigur nahtlos durch Raum und Zeit. Yuriy Karikhs für das ungeschulte Auge unsichtbare Schnitte verbinden Vladislav Opelyantss ohnehin schon lange Kamerafahrten zu noch längeren Plansequenzen, die mal in Farbe und mal in Schwarz-Weiß, mal im Breitwandformat und mal wie grobkörnige Homevideos gefilmt sind.

Zwischendurch erinnert das an ein russisches "Everything Everywhere All at Once" (2022), nur düsterer, dreckiger, hoffnungsloser. Nach "Leto", Serebrennikovs Hymne auf ein unkonventionelles Musikerleben und die Kraft der Musik, legt der 1968 geborene Theater-, Ballett-, Opern- und Filmregisseur einen Abgesang auf den Postsowjetimus nach, dessen seinerzeit gelegte Grundsteine bis heute bestehen und der folglich auch als Anklage auf Putins Russland verstanden werden kann.

Von Putins Russland, das sich mit Vorliebe gegen kreative Köpfe und kritische Geister wie Kirill Serebrennikov richtet, lässt sich der Filmemacher derweil nicht kleinkriegen. Bislang konnten ihm weder Hausarrest noch Haftstrafe etwas anhaben. Ganz im Gegenteil führte Serebrennikov mithilfe moderner Technik aus beiden heraus noch Regie an weit entfernten Theater- und Opernhäusern. Sein Tatendrang scheint auch im Kino ungebremst. Nach "Petrov's Flu", der am 12. Juli 2021 in Cannes seine Weltpremiere feierte, hat er den nächsten Film bereits abgedreht. "Madame Tschaikowski", Serebrennikovs lange gehegter Traum von einem Drama über das Leben des berühmten Komponisten, kommt voraussichtlich im März 2023 in die deutschen Kinos.

Fazit: Politik, Schriftstellerei und Theater, Märchen, Superhelden und Science-Fiction, russischer Alltag, russische Geschichte und russische Folklore – in Kirill Serebrennikovs neuem Film geht alles Hand in Hand und bekommt alles gehörig sein Fett weg. "Petrov's Flu" ist eine kongeniale Romanverfilmung; kreatives Chaos in Form eines Fieberwahns, meisterhaft und mutig inszeniert.




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Zum Video: Petrov's Flu

Besetzung & Crew von "Petrov's Flu"

Land: Russland
Jahr: 2023
Genre: Drama
Länge: 145 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 26.01.2023
Regie: Kirill Serebrennikov
Darsteller: Semyon Serzin als Petrov, Chulpan Khamatova als Petrova, Vladislav Semiletkov als Petrov's Sohn, Yuri Kolokolnikov als Igor, Aleksandr Ilin als Viktor Mikhailovich
Kamera: Vladislav Opelyants
Verleih: farbfilm verleih

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