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Kash Kash (2022)

Faszinierender und erkenntnisreicher Dokumentarfilm über die Kunst des "Taubenfangens" und Beirut inklusive seiner Bewohner als Hauptstadt des "failed state" Libanon, der sich im Umbruch befindetKritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3.3 / 5

Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 4 Besucher eine Bewertung abgegeben.


Unter der goldenen Sonne über den labyrinthartigen Straßen Beiruts fliegen jeden Abend Schwärme von Tauben verschiedenster Gattungen aus ihren Käfigen. Ihr Flug folgt der Choreografie einer jahrhundertealten Tradition: dem Glückspiel “Kash Hamam”. Jeder Spieler besitzt einen Schwarm und lässt seine Tauben über seinem Haus kreisen, in der Hoffnung, die Tauben der Nachbarn auf sein eigenes Dach zu locken. Wenn eine gegnerische Taube auf einem anderen Dach landet, wird sie eingefangen, und somit der eigene Spielschwarm vergrößert. Das ist ein “Kash”.

"Kash Kash" begleitet mehrere Taubensammler und -spieler bei ihrer Leidenschaft, die Obsession, Liebe und Verdrängung in einem ist: Denn die Stadt, das ganze Land gleitet immer tiefer in eine ökonomische Krise, die sich auf Preise von Lebensmitteln, aber auch auf die Kosten für das immer teurer werdende Hobby niederschlägt, das für manche bald zum Luxus wird. Der Film beobachtet den Konflikt einer Stadt im Umschwung aus der Perspektive seiner Bewohner, denen zunehmend nur noch ihre geliebten gefiederten Freunde Stabilität geben. Umso mehr, als sich die Wut der Bevölkerung auf der Straße in riesigen Protesten entlädt und eine massive Explosion am Hafen die ganze Stadt in Schrecken hält.

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse4 / 5

"Kash Kash" - Taubenzüchten als Lebenselixier

Debütregisseurin Lea Najjar - zwar in Wien geboren, aber in Beirut aufgewachsen und dort zur Uni gegangen - gelingt mit "Kash Kash" ein liebevolles und zugleich faszinierendes Porträt einer Stadt und seiner Menschen. Der Film handelt auch davon, was es heißt, in einer feindlichen, immer unerträglicher werdenden Umgebung und Umwelt zu (über)leben und trotz allem nicht die Hoffnung zu verlieren.

Faszinierend ist der Film, weil er detaillierte Einblicke in ein in unseren Breiten völlig unbekanntes Spiel, eine uralte, arabische Tradition gibt: Die Taubenspieler sind die Herrscher über die Dächer Beiruts, ihre Tauben die Herrscher des Himmels darüber. Es ist berührend, mit welcher Leidenschaft, Liebe, Verbissenheit sie zu Werke gehen, mit welcher Sorgfalt sie sich um ihre tierischen Freunde kümmern, wie ernst manche von ihren dieses zum Lebensinhalt und -sinn gewordene Spiel nehmen. An einer Stelle darf einer der Taubenspieler erklären, dass sein Hobby "wie eine Sucht" sei, das einzige ist, das ihn von dem Leid und der Perspektivenlosigkeit rundherum ablenkt.

Ein Land im Umbruch: Der Traum vom vereinten Libanon

"Kash Kash" handelt aber nicht nur vom Taubensammeln und -fliegen, sondern gibt auch intime Einblicke in eine Stadt, ein Land im Umbruch, in tiefster Krise. Dieser Aspekt tritt allerdings erst nach der Hälfte der Laufzeit schrittweise in den Vordergrund. Der Film behandelt folglich nicht die Hintergründe dieser Entwicklung, die politische Tektonik der Region, sondern die Frage, inwiefern sich Krise und Umwälzung auf die Menschen, ihren Alltag, ihre Familien, ihr Spiel auswirken, aber auch wie die alte Tradition des Kash selbst ein Faktor bei den Protesten in Beiruts Straßen wird: Ein Spieler darf dort TV-Kameras ein emotionales, mitreißendes Interview geben, wo er einen Taubenschwarm mit unterschiedlichen Gattungen, der dennoch in eine Richtung fliegt als Symbol für einen toleranten, vielfältigen, aber vereinten Libanon vorgibt, von dem er und viele andere träumen.

Wenn man diesem über weite Teile beeindruckend gefilmten, in Momenten zutiefst immersiven und schönen Film etwas vorwerfen möchte, dann dass die Verknüpfung und die Übergänge zwischen einzigartigem Taubenspieler-Porträt und klassischer politisch-gesellschaftlicher Doku für Teile des Publikums unklar wirken mögen. Unklar bleibt auch, ob "Kash Kash" immer so geplant war oder ob die realen politischen Entwicklungen vor Ort der Drehprozess einholten und nicht ausgespart werden konnten, irgendwie integriert werden mussten.

Fazit: Ein bemerkenswerter Debütfilm mit faszinierendem, exzentrischem Sujet, "exotisch", aber nie exotisierend, sondern interessiert und einfühlsam, porträtiert er gleichermaßen Verzweiflung wie Hoffnung einer Stadt, eines Landes und seiner Bewohner. Eine wahre kleine Perle des rezenten (deutschen) Dokumentarfilms.




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Besetzung & Crew von "Kash Kash"

Land: Katar, Libanon, Deutschland
Jahr: 2022
Genre: Dokumentation
Länge: 90 Minuten
Kinostart: 07.12.2023
Regie: Lea Najjar
Kamera: Jonas Schneider
Verleih: Camino

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