The Atrocity Exhibition (1998)

"The Atrocity Exhibition": Bericht eines geistigen Zusammenbruchs

Der britische Schriftsteller J.G. Ballard (1930-2009) hat im Laufe seiner Karriere zahlreiche faszinierende und komplexe, oft jedoch auch recht schwer zugängliche Werke geschaffen. Nicht selten haben diese etwas Dystopisches und Apokalyptisches an sich; sein Stil und seine Themenwahl sind stark beeinflusst vom Surrealismus und von der Psychoanalyse.

Während im Jahre 1970 eine Geschichte von ihm als Vorlage für das schrille Fantasy-Abenteuer "Als Dinosaurier die Erde beherrschten" der Hammer-Studios diente, lieferte Steven Spielberg mit "Das Reich der Sonne" (1987) eine vergleichsweise konventionelle Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ballard. Die Adaptionen "Crash" (1996) von David Cronenberg und "High-Rise" (2015) von Ben Wheatley vermögen eventuell am besten zu vermitteln, was den Reiz in Ballards Œuvre ausmacht.

"Diese Bilder sind wie die Codes unauslegbarer Träume"

Der Verleih Rapid Eye Movies bringt im Rahmen seiner Reihe Zeitlos, die sich in "entlegene, absonderliche, unerhörte, nie gesehene filmische Welten" begeben will, nun die essayistisch gestaltete Ballard-Verfilmung "The Atrocity Exhibition" auf die Kinoleinwand.

Die 1970 erschienene literarische Grundlage, die in Deutschland auch unter den Titeln "Liebe und Napalm: Export USA" und "Die Schreckensgalerie" veröffentlicht wurde, ist eine Textsammlung; der Autor selbst hielt sie angeblich für unverfilmbar, soll sich von dem Ergebnis aber zutiefst beeindruckt gezeigt haben. Der von Jonathan Weiss in Szene gesetzte Experimentalfilm aus dem Jahre 1998 ist eine Bildercollage, deren Wirkung durchaus an die enorme Kraft von Ballards Erzählkunst heranreichen kann. Das Werk mutet wie ein audiovisueller Albtraum an, der in seinen Motiven dennoch nicht willkürlich, sondern klug durchdacht daherkommt.

"Wir spielen alle in einem Film"

Zu Beginn heißt es, dieser Film stamme "von Dr. Travis". Wo sich dieser jetzt aufhalte, sei nicht bekannt. Ebenso wenig, ob er noch lebe. Dies lässt an die Found-Footage-Methode denken, die allerdings erst mit "Blair Witch Project" (1999) ins Mainstream-Kino drang. Die stilvollen Aufnahmen haben zudem nichts vom billigen Look dieser Werke; vielmehr erzeugt Weiss mit seinem Kameramann Bud Gardner großartige Momente, kombiniert mit Archivmaterial, das diverse traumatische Augenblicke der (US-)Historie veranschaulicht.

Fazit: Eine extrem eindrückliche, im besten Sinne irritierende Seherfahrung, die den Kern von J.G. Ballards Stil zu erfassen versteht.