FBW-Bewertung: Der Phönizische Meisterstreich (2025)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.Sind es die animierten Stillleben, die unverwechselbar komponierten Tableaus, sind es die beinahe poetischen Dialoge, oder ist es etwa der handverlesene Cast, der Wes Andersons Filme so unvergleichlich unterstützt? Über den besonderen Stil Wes Andersons, sprich: über dessen filmische Handschrift, wurde auch hier schon viel geschrieben. Andersons Werke stellen eine Quasi-Kategorie für sich dar, so einzigartig erscheinen sie.
Interessanterweise wird immer wieder behauptet, dass der amerikanische Regisseur mit jedem Film, der neu herausgekommen ist, die Varianz seines Schaffens endgültig ausgekostet hat und interessanterweise schafft er es immer wieder Kritiker Lügen zu strafen. So auch bei DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH. Zwei Jahre nach seinem ASTEROID CITY geht er diesmal dem grundlegenden Verständnis von Ethik und Kapitalismus nach, aber auch den Machtstrukturen innerhalb familiärer Verhältnisse. Natürlich so, wie man es von Anderson gewohnt ist: immer mit einem unverkennbaren Augenzwinkern.
DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH unterscheidet sich aber auch von vorherigen Produktionen. Nämlich dahingehend, dass er das Publikum gleich zu Anfang mit Rasanz zu überraschen weiß. Mit einem Mal wohnt es dem abenteuerlichen Leben von Multimillionär Zsa Zsa Korda bei. Bevor dessen Privatjet aus allen Wolken fällt, fehlt seinem Adlatus kurzerhand der Oberkörper, während der Unterkörper brav auf dessen Stuhl sitzen bleibt. Das ist so skurril, dass nicht einmal im entferntesten Denken die Frage nach Rohheit und Gewalt formuliert werden kann, aber dennoch hinterlässt die Szene nachhaltigen Eindruck. In der Tat überlässt Anderson nichts dem Zufall. Vermutlich ist DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH sogar der bestkomponierte Film seines ?uvres. Jede Szene sitzt, jede Einstellung hat Bedeutung, Langeweile kann so niemals aufkommen, auch wenn Wes Andersons Filme eher für ihr Ebenmaß bekannt sind.
Tatsächlich liebt Anderson Symmetrien. Sein Bildaufbau, seine Ausstattung, seine Kostüme, ja im Prinzip der Großteil seiner Ästhetik geht aus symmetrischen Elementen hervor. In DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH findet sich dazu sogar ein Äquivalent in den Rollen. Wo Zsa Zsa Korda auftaucht, ein ebenbürtiger Antagonist wird ihm zur Seite gestellt. Das gipfelt in der finalen Begegnung Zsa Zsas mit dessen Bruder und deren, allen Ernstes, symmetrisch choreografierten Duell. Das ist weder fade noch unoriginell. Die Jury hatte großen Spaß, nicht nur bei der Sichtung, sondern auch in der Diskussion. Tatsächlich fordert DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH nachgerade zu Gesprächen auf.
Ähnlich genial konstruiert auch die Story: Nach der einen oder anderen Nahtoderfahrung beschließt Andersons Protagonist, Korda, einen Nachfolger für seinen immensen Besitz zu suchen. Er findet ihn, wie kann es anders sein, in seiner Tochter Liesl. Natürlich wäre es kein Andersonfilm, wenn die Sache so einfach wäre. Liesl ist Novizin. Ihr Weg zum rechten Leben und damit ins Kloster soll über Enthaltsamkeit führen. Und abermals denkt zu kurz, wer glaubt, hier stünden sich fortan das fiese Kapital und der Glaube an das Gute gegenüber. Tatsächlich zeigt Anderson aber, dass sich Spiritualität und Kapital so unähnlich nicht sind. Beide treten eine gefahrvolle Reise um den halben Globus antreten, eine Reise an der am Ende ein tolles Projekt zum Wohle der Menschheit oder die Vermehrung des Kordaschen Kapitals oder vielleicht auch gar nichts stehen wird.
Wie Anderson an seinen brillanten Cast kommt, soll sein Geheimnis bleiben. Dass ein solch exzentrisches Gemengelage aber gelingt, ist mit Sicherheit auch der genauso hochkarätigen, wie herausragenden Besetzung zu verdanken. Allen voran sei hier Benicio del Toro in der Rolle des Korda genannt. Ausnahmsweise frisch rasiert und mit Maßanzug ausstaffiert spielt er den umstrittenen Magnaten mit so viel Kultiviertheit, wie schmieriger Arroganz, dass sein nächster Schachzug kaum abzusehen ist. Stets reist er mit einer Stiege Handgranaten, von denen er gern seinen Geschäftspartnern anbietet, wie andere Menschen edle Pralinen, fortwährend den nächsten Anschlag auf sein Leben erwartend. Ihm zur Seite Mia Threapleton, die sich als Tochter Liesl keine Blöße gibt. Aber natürlich ist auch wieder Bill Murray mit dabei und Tom Hanks und Scarlett Johansson, Benedict Cumerbatch, Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg, Matthieu Amalric, Michael Cera und, und, und? Anderson ist sicherlich ein Kontrollfreak, aber so, wie sich solch bekannte Namen Andersons Regie unterzuordnen wissen, scheint offensichtlich nicht allzu viel Zwang dahinter zu stehen.
Passend zu den Pastellfarben von Andersons Tableaus liefert Alexandre Desplat Arrangements, die immer wieder so kitschig werden, dass ein Lalo Schifrin neidisch werden könnte. Das schreckt nicht ab, sondern passt ungemein gut in das ?Yesterday?-Ambiente, das Wes Anderson seinem Publikum bietet. Kein Wunder, dass die Jury Andersons DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH, nach einer recht launigen Diskussion, außerordentlich gerne das Prädikat Besonders Wertvoll verliehen hat.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)