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Willkommen um zu bleiben (2025)

Mr. K

Absurder Aufenthalt: Ein Zauberkünstler steckt in einem Hotel fest.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4.0 / 5

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Eigentlich ist der Magier Mr. K (Crispin Glover) nur auf der Durchreise, als er in einem heruntergekommenen Hotel absteigt. Doch als er am nächsten Tag abreisen will, findet er vor lauter Korridoren nicht mehr aus dem Gebäude hinaus. Stattdessen findet er sich in der Hotelküche wieder, in der er an der Seite der Hilfskraft Anton (Jan Gunnar Røise) als Eierentzweier angeheuert wird, bevor ihn der Chefkoch (Bjørn Sundquist) zum Schaumschläger befördert.

Nach und nach trifft er auf skurrile Gestalten wie die zwei französischen Schwestern Ruth (Fionnula Flanagan) und Sara Monchien (Dearbhla Molloy) sowie die flamboyante Frau Gaga (Sunnyi Melles), die ihre Entourage mit opulenten Diners und beängstigend schräger Blasmusik bei Laune hält. Was sie alle eint, ist der Umstand, dass sie das Hotel seit Jahren nicht mehr verlassen haben. Als sich Mr. K schließlich daran macht, den Ausgang zu finden, halten ihn einige Hotelbewohner für den lang ersehnten Befreier. Doch damit fangen die Probleme erst an.

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"Willkommen um zu bleiben": Hinter dem Universum

Die Werke Franz Kafkas zählen zum Kanon der Weltliteratur. Und noch eine weitere Ehre wurde dem 1883 in Prag geborenen Schriftsteller posthum zuteil. Seit 1973 steht das Adjektiv "kafkaesk" im Duden, um Situationen zu beschreiben, die "auf unergründliche Weise bedrohlich" sind, wie es in dem Wörterbuch heißt. Kafkaeske Kinofilme gab es freilich schon, bevor das Wort Eingang in den Sprachgebrauch fand. Orson Welles' Kafka-Adaption "Der Prozeß" (1962) ist einer davon. Darin rennt der von Anthony Perkins gespielte Josef K. in einer absurden Welt vergeblich gegen einen erdrückenden Machtapparat an. Terry Gilliam nahm diese Konstellation zwei Jahrzehnte später in "Brazil" (1985) auf die Schippe. Seine Groteske ist nicht nur kafkaesk, sondern auch eine Persiflage auf einen anderen Autor, dessen Werk sprichwörtlich geworden ist: George Orwell und seine Dystopie "1984".

Was das wunderschöne Adjektiv anbelangt, das aus dem Nachnamen des Prager Schriftstellers gebildet wurde, ist allerdings Vorsicht angebracht. Denn allzu gern und vorschnell wird Filmen das Etikett "kafkaesk" aufgeklebt, die es gar nicht sind. "Willkommen um zu bleiben" darf sich hingegen zu Recht damit schmücken. Was wir als Kinozuschauer vom zweiten abendfüllenden Spielfilm der Regisseurin Tallulah H. Schwab erwarten dürfen, lässt sich schon am Namen des Protagonisten ablesen. Der heißt Mr. K, wie übrigens auch der Filmtitel im englischsprachigen Original lautet, was wiederum unschwer als Anspielung auf den Schöpfer von Werken wie "Die Verwandlung" (1912) auszumachen ist.

Kafka in marodem Gemäuer

Die 1973 in Norwegen geborene und aufgewachsene Schwab stammt aus einer Theaterfamilie. Sie lebt und arbeitet in den Niederlanden, wo sie Mitte der 1990er-Jahre an der Nederlandse Filmacademie in Amsterdam Regie, Drehbuch und Schnitt studierte. Seither ist sie als Regisseurin in Film und Fernsehen tätig. Ihre theatralen Wurzeln sind in ihrem jüngsten Werk jedoch überall sichtbar. "Auf der Bühne muss nicht alles natürlich und realistisch aussehen, dort darf alles theatralisch und überbordend sein", weiß Schwab und wendet dieses Prinzip auf ihren Film an.

Das Hotel, in dem der Titelheld absteigt und ursprünglich nur eine Nacht bleiben will, ist jederzeit als liebevoll detailverliebte Kulisse zu erkennen. Zugleich besitzt es aber so viel zauberhaft maroden Charme, dass wir uns gemeinsam mit dem Protagonisten in den endlosen Fluren und illustren Zimmern verlieren, darüber Raum und Zeit vergessen und die ausgestellte Künstlichkeit schließlich als Realität wahrnehmen. Visuell irgendwo zwischen dem Werk Wes Anderons und Jean-Pierre-Jeunets angesiedelt, zählt "Willkommen um zu bleiben" zu jener Sorte Film, die vermittels ihres Dekors nicht nur eine bestimmte Stimmung verströmt, sondern der Wirklichkeit entrückte Orte erschafft, wie sie nur im Kino entstehen können. Schwabs Inszenierung dieses Ortes ist indessen mehr als nur kafkaesk. Sie ist auch magisch.

Die Illusion von Realität

Im Zentrum steht ein Zauberkünstler, und mit einer Illusion beginnt der Film. Wir sehen einen Sternenhimmel und hören dazu die Stimme des Protagonisten, der darüber sinniert, dass jeder Mensch ein Universum für sich sei. Doch die vermeintliche Unendlichkeit des Universums entpuppt sich als ein sehr begrenzter Raum. Die leuchtenden Objekte sind keine Himmelskörper, sondern Tischlampen in einem Varieté-Theater, in dem Mr. K, vom gelangweilten Publikum ungeachtet, seine Tricks vollführt. So virtuos, wie Tallulah H. Schwab diese Eingangssequenz gestaltet, inszeniert sie den gesamten Film – und erschafft einprägsame Bilder: Eine verstörende Blaskapelle zieht enervierend durch die Hotelflure, herausgeputzte Kellner tänzeln die Hoteltreppen hinab, ein aufgebrachter Mob wirft den Protagonisten auf Händen tragend aus der Küche. Vom deutschen Kameramann Frank Griebe ("Lola rennt", "Das Parfum", "Cloud Atlas") stets perfekt kadriert und wunderschön choreografiert eingefangen, sieht der Film in diesen Szenen wie die kafkaeske Version eines Busby-Berkeley-Musicals aus.

Die von Schwab selbst verfasste Handlung nimmt sich derweil wie eine Umkehrung von Kafkas unvollendetem Roman "Das Schloss" (1922/1926) aus. So wie der Landvermesser K. im Roman nicht in das titelgebende Gebäude hineinkommt, so kommt Mr. K in Schwabs Film nicht mehr aus einem Gebäude heraus. Neben vielen weiteren Bezügen zu Kafkas Werk, zur Bibel, zum Surrealismus und zur Filmgeschichte treibt Schwab vor allem die Frage nach der Beschaffenheit der Welt um. "Was ist Realität? Wie wissen wir, was wahr ist und worauf wir vertrauen können. Das beschäftigt mich seit jeher", hat die Regisseurin in einem Interview gesagt. Die Absurdität ihres neuesten Films ist mehr als nur Mittel zum Zwecke der Unterhaltung, sie dient auch dazu, Wahrheiten und Regeln zu hinterfragen, die alle als normal erachten.

Ein Licht am Ende des Tunnels

In der Hauptrolle des Magiers, der diese unangenehmen Fragen stellt und die Hotelbewohner ihrer Illusionen beraubt, ist Crispin Glover die ideale Besetzung. Schließlich bringt der US-Amerikaner in fast jedem seiner Kinoauftritte – von "Zurück in die Zukunft" (1985) über "Willard" (2003) bis "Lucky Day" (2019) – ein gewisses Irritationspotenzial mit sich. Als Mr. K stößt er bei seiner Suche nach einem Ausweg auf ein Geheimnis: Das Hotel lebt, womit Schwabs Film eine letzte, nun "lynchesk" und "cronenbergesk" anmutende Volte schlägt.

Ganz am Ende, nachdem Mr. K durch einen organischen, an einen Geburtskanal erinnernden Tunnel gekrochen und gemeinsam mit einem krakenartigen Wesen in Richtung Freiheit gestürzt ist, steht die Frage, wo unsere Welt endet und eine andere beginnt. Der Protagonist sinniert darüber, was hinter dem Universum liege, während er in der Umklammerung des Tentakel-Tieres aus den Tiefen des Meeres in Richtung Wasseroberfläche schwimmt. Das in die Dunkelheit dringende Licht sieht wie ein weit entfernter Himmelskörper aus. Was dahinter liegt, ist so offen wie dieser Film.

Fazit: Der neue Film der Regisseurin Tallulah H. Schwab ("Confetti Harvest") ist eine kafkaeske Groteske, die durch ihre vielen irritierenden Momente besticht. Detailverliebt gestaltet, wunderschön gefilmt und perfekt choreografiert folgt das Kinopublikum einem Mann, der einen Ausweg sucht. Mit Crispin Glover ist die Hauptrolle ideal besetzt. Wie Franz Kafkas Literatur lässt sich auch dieser Film in die verschiedensten Richtungen interpretieren. Ob wir ihn als metaphorische Suche nach dem Sinn und Unsinn des Lebens oder einfach nur als gut gemachte Unterhaltung begreifen, ist uns letztlich selbst überlassen.




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Besetzung & Crew von "Willkommen um zu bleiben"

Land: Niederlande, Norwegen, Belgien
Jahr: 2025
Genre: Drama, Mystery
Originaltitel: Mr. K
Länge: 93 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 14.08.2025
Regie: Tallulah Hazekamp Schwab
Darsteller: Crispin Glover als Mr. K., Sunnyi Melles als Gaga, Fionnula Flanagan als Ruth, Bjørn Sundquist als Chef, Dearbhla Molloy als Sara
Kamera: Frank Griebe
Verleih: Neue Visionen

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