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The Secret Agent (2025)

Brasilianischer Thriller über einen Mann, der den Schatten der Vergangenheit zu entkommen versucht.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3.0 / 5

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Marcelo (Wagner Moura), der eigentlich Armando heißt, kehrt während der Karnevalswoche 1977 nach Recife zurück und kommt im Haus der alten Dona Sebastiana (Tânia Maria) unter, die politischen Flüchtlingen Obdach gewährt. Unter seinem falschen Namen heuert Marcelo bei einer Behörde an, um mehr über seine indigene Mutter herauszufinden. Dort erregt er ungewollt die Aufmerksamkeit des schmierigen Polizeichefs Dr. Euclides (Robério Diógenes). Der ist gerade damit beschäftigt, ein Bein, das im Schlund eines Hais gefunden wurde und auf seine korrupten Machenschaften hinweisen könnte, wieder loszuwerden.

Das abgetrennte Körperteil macht Schlagzeilen, die sich bis auf die Kinobranche der Stadt auswirken. Auch Marcelos Schwiegervater Herr Alexandre (Carlos Francisco), ein Kinovorführer, der Marcelos Sohn Fernando in dessen Abwesenheit großgezogen hat, ist davon betroffen. Im Kino trifft Marcelo schließlich auch auf Elza (Maria Fernanda Cândido), eine Widerstandskämpferin, die ihn vor zwei üblen Gestalten warnt, die den Auftrag erhalten haben, Marcelo alias Armando zu ermorden.

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"The Secret Agent": Im Maul des Monsters

Brasilien 1977, eine Tankstelle irgendwo im Nirgendwo. Als der von Wagner Moura gespielte Marcelo aus seinem knallgelben VW-Käfer steigt, ist der Gestank kaum auszuhalten. Angewidert hält er sich die Hand vors Gesicht. Seine Augen fixieren die nur provisorisch abgedeckte Leiche, die wenige Meter entfernt im Dreck verwest. Die Polizei sei informiert, hätte mitten im Karneval aber Besseres zu tun, erklärt ihm der Tankwart, der den üblen Geruch gar nicht mehr wahrnimmt. Als kurz darauf ein Streifenwagen aufkreuzt, haben die zwei Beamten denn auch nicht wegen des Kadavers angehalten. Stattdessen schützen sie eine Verkehrskontrolle vor, um Marcelo zu schikanieren. Unter sengender Sonne sind die Nerven zum Zerreißen gespannt. Marcelo bekommt die Polizisten erst wieder vom Hals, als er ihnen seine letzten Zigaretten zusteckt. Sein letztes Geld war bereits in die Tankfüllung geflossen.

Schon dieser Auftakt ist in mehrfacher Hinsicht ein Glanzstück eines in allen Belangen meisterhaften Films. Dessen Regisseur Kleber Mendonça Filho inszeniert ebenso ambitioniert wie ambivalent. Denn lange Zeit bleibt offen, was das Publikum in den betörenden, flirrenden Bildern der Kamerafrau Evgenia Alexandrova hier eigentlich zu sehen bekommt. Die ersten Minuten könnten der Beginn eines Horrorfilms sein, aber ebenso gut aus einem Drama oder einem Spionagethriller stammen; immerhin lautet der Filmtitel "The Secret Agent" bzw. "O Agente Secreto" im brasilianischen Original. Am Ende ist Mendonça Filhos neuester Streich vieles: Familiendrama und Politthriller, Sittenbild und Vergangenheitsbewältigung, virtuos erzählt und brillant inszeniert.

Tanz auf dem Vulkan

Die Könnerschaft des Regisseurs zeigt sich allein schon auf den ersten Seiten des von ihm selbst verfassten Drehbuchs, das die Themen seines Films im Kern enthält. Als Marcelo nach der unfreiwilligen Begegnung mit der Polizei endlich an seinem Zielort, der im Norden Brasiliens gelegenen Metropole Recife, ankommt, führt Mendonça Filho weitere Figuren ein. Polizeichef Euclides (Robério Diógenes) wird von einer Karnevalsfeier ins Leichenschauhaus gerufen. Den Glitter noch auf Haut und Haaren wohnt er einem grauenerregenden Schauspiel bei, als eine Pathologin ein abgetrenntes Bein aus dem Maul eines toten Hais zieht.

Der Fund macht Schlagzeilen, was die Kinos der Stadt dazu veranlasst, "Der weiße Hai" (1975) wieder ins Programm zu nehmen. Dort werden auch weitere Schocker wie "Das Omen" (1976) gezeigt und bilden das Hintergrundrauschen, vor dem sich der wahre, nur dürftig kaschierte Horror abspielt: Korruption und Denunziation, Rassismus und Klassenkampf, Polizeigewalt und politische Morde. Mendonça Filho zeichnet die Militärdiktatur jener Jahre als unersättlichen Hai und das Bild eines Landes, dessen Bewohner sich längst an den Leichengeruch gewöhnt haben. Weil es mit dem Leben von heute auf morgen vorbei sein kann, tanzt das Volk ein letztes Mal ausgelassen auf dem Vulkan.

Horror der Vergangenheit

Um einen Geheimagenten geht es in diesem Film übrigens nicht. Auch wenn der von Wagner Moura ebenso eindrücklich wie eindringlich gespielte Protagonist unter dem Decknamen Marcelo nach Recife zurückgekehrt ist und es zunächst so aussieht, als beschaffe er illegal Informationen, handelt es sich nur um eine der vielen falschen Fährten, die der Regisseur legt. In Wahrheit bezieht sich der Titel seines Films auf die Abenteuerkomödie "Le Magnifique" (1973) mit Jean-Paul Belmondo, die in dem im Film gezeigten Kino unter dem Titel "O Agente Secreto" läuft – und somit eine weitere intertextuelle Schicht eines verschachtelt erzählten und hochkomplexen Kunstwerks bildet.

Kleber Mendonça Filho jongliert nicht nur gekonnt mit den Genres und spielt geschickt mit der Erwartungshaltung des Publikums, er springt auch unerwartet durch die Zeit. Nachdem sich die Spannung ganz gemächlich aufgebaut hat und die unterschwellige Gewalt sich sehr spät im Film fulminant entlädt, ist sie ebenso abrupt wieder vorüber. Das Schicksal des Protagonisten bleibt offen. Der Regisseur erzählt es lediglich indirekt, über eine Spurensuche aus unserer Gegenwart heraus. Denn die Gräueltaten jener Jahre waren so mannigfach und gingen nicht nur vom Regime, sondern auch von dessen vielen Profiteuren aus, dass es keine eindeutigen Antworten geben kann. Ein letzter genialer Schachzug eines grandios zu Ende gespielten Films.

Fazit: Kleber Mendonça Filhos neuer Film, der bei den Festspielen in Cannes mit gleich vier Preisen bedacht wurde und als Brasiliens Kandidat bei der Oscarverleihung 2026 ins Rennen geht, ist ein Ereignis. Hochkomplex erzählt, virtuos inszeniert und herausragend gespielt, schreibt sich das Urteil quasi von selbst: "The Secret Agent" ist ein Meisterwerk!




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Besetzung & Crew von "The Secret Agent"

Land: Portugal
Jahr: 2025
Genre: Drama, Krimi, Historie
Länge: 158 Minuten
Kinostart: 06.11.2025
Regie: Kleber Mendonça Filho
Darsteller: Wagner Moura als Marcelo Alves, Maria Fernanda Cândido als Elza, Gabriel Leone als Bobbi, Carlos Francisco als Seu Alexandre, Alice Carvalho als Fatima
Kamera: Evgenia Alexandrova
Verleih: Port au Prince Pictures GmbH

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