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Hollywood Insider vom 03.12.2006

Ist der Ruf erst einmal ruiniert, kann das für einen Superstar schnell teuer werden. Während die Yellow Press mit den bizarren Eskapaden unserer Popkultur-Ikonen mächtig Reibach macht, halten Filmstudios und Agenten hinter den Kulissen Krisengipfel ab – um zu retten, was zu retten ist, oder die wirtschaftliche Reißleine zu ziehen. Mel Gibson und Madonna sind die jüngsten Beispiele für Image-Desaster mit bösen finanzielle Folgen.

Der Film ist außerordentlich brutal und die weitgehend unbekannten Schauspieler sprechen in einem altertümlichen Maya-Dialekt mit Untertiteln. Kein Zweifel: "Apocalypto", ein blutrünstiges Action-Abenteuer über den Untergang der Maya-Zivilisation, hat nicht die herkömmlichen Zutaten für einen Kassenhit. Allein der zugkräftige Name seines Regisseurs sollte das Publikum deshalb dazu bewegen, sich das Gemetzel auf der Leinwand anzusehen: Mel Gibson. Doch als der Oscarpreisträger Ende Juli am Steuer seines Wagens sturzbesoffen festgenommen wurde (und diesen unrühmlichen Vorgang mit wüsten Beschimpfungen und antisemitischen Tiraden kommentierte), wurde aus diesem Plan Makulatur. Der christlich erzkonservative Saubermann war über Nacht zur Unperson geworden - und somit zum größten Hindernis für die erfolgreiche Vermarktung seines 50 Millionen Dollar teuren Films.

Die Tinte auf dem Distributionsvertrag war gerade mal getrocknet, da stand "Apocalyptos" US-Verleiher Disney vor der schwierigen Entscheidung, dem Superstar zu kündigen oder ihn zu rehabilitieren. Das Studio wagte den Spagat und machte beides: Ein gemeinsam mit Gibsons Produktionsfirma Icon geplantes TV-Projekt zum Thema Holocaust wurde demonstrativ auf Eis gelegt. Für "Apocalypto" starteten die PR-Strategen hingegen eine detailliert geplante Wiedergutmachungskampagne. Den Anfang machte ein zweiteiliges Interview, das einen reumütigen Gibson im Frühstücksfernsehen des zu Disney gehörenden Senders ABC zeigte. Ausschnitte daraus wurden später in die ganze Welt gesendet. An Thanksgiving hob der Sender dann zur allerbesten Sendezeit ein einstündiges Gespräch mit Gibson ins Programm, inklusive Ausschnitten von den Dreharbeiten. Mehr als sieben Millionen Interessierte sahen zu. Darüber hinaus bewirbt Disney den Film um Umfeld von gefragten Serien wie "Desperate Housewives" (ebenfalls ABC), und Gibson stellte sich dem spanischsprachigen Latinopublikum mit einem Auftritt in der einflussreichen Sendung "Hier und Jetzt" des Senders Univision. Nebenher besuchte der Schauspieler Meetings bei den Anonymen Alkoholikern, warnt in Werbespots vor dem Missbrauch von Alkohol, kam aufs Cover der Zeitschrift "Entertainment Weekly" und schaut kurz vor dem US-Start seines Films am 8. Dezember bei den so populären wie seicht-unverfänglichen Talk-Shows von Jay Leno und Ellen DeGeneres vorbei.

Um Gibsons mühsam aufpoliertes Image nicht durch böse Fragen seitens der Journaille zu beinträchtigen, bleibt die Masse der Medienvertreter außen vor. Lediglich die "Hollywood Foreign Press Association" (HFPA), die jedes Jahr die Golden Globes verleiht, kam in den seltenen Genuss einer "Apocalypto"-Pressekonferenz - schließlich möchte man diese einflussreiche Gruppe milde stimmen.

Disneys Studiochef Dick Cook glaubt, dass das Publikum zwischen Mel Gibsons künstlerischer Arbeit und seinen privaten Eskapaden sehr gut unterscheiden kann. Das mag wohl stimmen, trifft aber nicht den Kern der Sache. Denn die eigentliche Frage ist doch, ob das Publikum diese Unterscheidung überhaupt treffen möchte. Bei Madonna etwa kennt es derzeit keine Gnade: Von "The English Roses: Too Good to Be True", dem neuen Buch der Entertainerin, wurden in den kritischen ersten Wochen nach seinem Erscheinen im Oktober lediglich 9.000 Stück verkauft. Hintergrund dieses Absatzdebakels sind die Querelen um Madonnas angeblich erschlichene Adoption des 14 Monate alten David Benda aus Malawi. Der Fall wird nun vor einem afrikanischen Gericht verhandelt, das Image des "Material Girl" ist jedoch unabhängig vom Ausgang des verworrenen Verfahrens ramponiert. So ist es nicht verwunderlich, dass Madonnas TV-Special am auf dem US-Sender NBC 22. November mit gerade einmal 4,6 Millionen Zuschauern abgestraft wurde.

Rico Pfirstinger/RICOPRESS


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