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Die durch die Hölle gehen
Die durch die Hölle gehen
© Kinowelt

TV-Tips für Sonntag (23.8.): Durchschnitts-Amerikaner ziehen in den Krieg

Arte zeigt Meisterwerk "Die durch die Hölle gehen"

Umstritten, aber unbestritten ein Meisterwerk. Arte zeigt im Hauptprogramm Michael Cimino's Drama "Die durch die Hölle gehen" mit Robert De Niro und Christopher Walken - ein Film, der immer aktuell bleiben wird, zeigt er doch, welche psychischen und physischen Schäden der Krieg bei ganz normalen Bürgern anrichten kann, die eben noch ihrer Arbeit nachgingen oder geheiratet haben.

"Die durch die Hölle gehen", Arte, 20:15 Uhr:
Ein Film, bei dem alles passt: Die Kritiker liebten ihn, die Zuschauer liebten ihn und machten ihn zu einem Riesenerfolg, und schlussendlich liebte ihn auch die Filmindustrie. "The Deer Hunter" (Der Hirschjäger), so der Originaltitel, wurde für neun Academy Awards nominiert, von denen er fünf gewinnen konnte: Als "Bester Film", für die "Beste Regie", für Christopher Walken als "Bester Nebendarsteller", für den "Besten Ton" und den "Besten Schnitt". Die Library of Congress nahm die Produktion 1996 in das National Film Register auf, um es für seine "kulturelle, historische oder ästhetische Bedeutung" für alle Zeiten zu sichern. Und noch heute zählt dieses Drama zu den besten Filmen aller Zeiten.

In epischer Breite erzählen Regisseur Michael Cimino und Drehbuchautor Deric Washburn, wie der Vietnam-Krieg das Leben von Menschen in einer kleinen Industriestadt in Pennsylvania beeinflusst und auch zerstört. Obwohl es besonders die Szenen in Vietnam sind - darunter die umstrittene Sequenz, in welcher der Vietcong Walken und Robert De Niro dazu zwingt, zum Wettspaß Russisches Roulette zu spielen - die das Werk berühmt gemacht haben, spielt nur ein Drittel des dreistündigen Streifens wirklich im Krieg. Das Drittel davor und danach schildert das Leben der Hauptfiguren De Niro, Walken und Meryl Streep in ihrer Heimat. Cimino hatte klar gesagt, dass er einen Film über "Amerika und den Krieg", nicht über den Vietnam-Krieg per se machen wolle.

Die in Vietnam spielenden Szenen wurden in Thailand produziert, wobei Bangkok als Kulisse für Saigon genutzt wurde. Cimino, der alles so detailgetreu und realistisch wie möglich darstellen wollte, drehte alles vor Ort, ohne Filmstudios. Wie so beinahe zu erwarten, dauerten die Dreharbeiten länger und wurden fast doppelt so teuer als geplant. Als Cutter Peter Zinner das Filmmaterial auf den Tisch bekam, hatte es eine Länge von unfassbaren 182.000 Metern, das entspricht einer zeitlichen Länge von 270 Stunden. Zinner schaffte es, einen Film von dreieinhalb Stunden daraus zu schneiden, der Cimino zufriedenstellte, das Filmstudio Universal Pictures allerdings weniger.

Universal-Chef Thom Mount taufte den Film damals sarkastisch "The Deer Hunter and the Hunter and the Hunter". Es begann ein zähes Ringen zwischen den Produzenten und dem Regisseur, der um jede einzelne Einstellung kämpfte. Schließlich führte man im Mittleren Westen bei Probeaufführungen dem Publikum sowohl 150 wie 180 Minuten lange Fassungen vor, wobei sich Cimino's längere durchsetzte. Schließlich behielten alle Recht: Der gewaltige Erfolg war der Gradmesser für den so mühsam hergestellten - alleine die Tonmischung nahm fünf Monate in Anspruch - und dann doch so meisterhaften Streifen.

Auf der Berlinale 1979 sorgte die Russisches Roulette-Szene für den Auszug der sowjetischen Delegation, die gegen die Darstellung der vietnamesischen Soldaten protestierte. Auch Jury-Mitglied Julie Christie verließ demonstrativ die Vorführung. Bei der "Oscar"-Verleihung gab es ebenfalls Proteste durch Demonstranten, die mit Plakaten wie "Nein zu Rassismus" und "'The Deer Hunter' ist eine Lüge" die Limousinen der Stars begrüßten. Ebenso diskutierten die Medien kontrovers darüber, wie viel "kreative Freiheit" erlaubt sei. Der Asien-Kenner Peter Scholl-Latour zeigte sich zum Beispiel empört über das frei erfundene Russisches Roulette.

Diese Einseitigkeit in der Darstellung des Kriegsgeschehens und die Über-Länge des Films mögen seine Schwächen sein, aber die mit den Charakteren mitfühlende Inszenierung und die gewaltigen schauspielerischen Leistungen - auch De Niro und Streep wurden für ihre Darstellungen nominiert - machen es mehr als wett. Ein britischer Zuschauer beschreibt: "Dies bleibt trotz der Kontroversen eines der besten Werke des amerikanischen Kinos - ein berührender, ergreifender und schlussendlich deprimierender Film, der fragt, ob die Wirkungen des Krieges über das Körperliche in den Bereich der menschlichen Natur hineinreichen."



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