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American History X mit Edward Norton
American History X mit Edward Norton
© New Line Cinema

TV-Tips für Samstag (2.4.): Bruder und Opfer

Pro7 zeigt Meisterwerk "American History X"

Familienfreundliche Disney-Unterhaltung im Sat1-Hauptprogramm mit dem Animationsstreifen "Rapunzel", aber für diejenigen, die es etwas härter vertragen können, geht kein Weg vorbei an dem Meisterwerk "American History X", den Pro7 im Spätprogramm im Angebot hat.

"Rapunzel - Neu verföhnt", Sat1, 20:15 Uhr

Rapunzel (gesprochen von Alexandra Neldel) mit ihren magisch langen Haaren hat ihr gesamtes Leben in einem Turm verbracht. Als aber ein flüchtiger Dieb (gesprochen von Moritz Bleibtreu) auf sie trifft, bekommt sie die Möglichkeit, erstmals die Welt zu entdecken.

Wie der deutsche Titel schon andeutet, handelt es sich bei Disney's 50. abendfüllenden Zeichentrickfilm um das alte französische Märchen aus dem 17. Jahrhundert, das die Gebrüder Grimm 1812 verändert und stark gekürzt in ihre Märchensammlung aufnahmen, allerdings "neu verföhnt", also für das 21. Jahrhundert modernisiert. Dabei ging "Rapunzel Reloaded" nicht so weit wie ursprünglich geplant. 2003 startete man bei Disney mit der Idee, das Märchen im Stil von "Shrek" pop-kultur-referentiell aufzupoppen. Doch davon verabschiedete man sich mehr zu Gunsten des traditionellen Stils der Disney-Zeichentrickfilme einer liebevoll erzählten, traditionellen Liebesgeschichte mit drolligen Nebenfiguren.

Produzent und Animation Supervisor Glen Keane, der zu Beginn des Projekts noch als Regisseur fungiert hatte, wollte dabei ein ganz spezifisches Aussehen des Films erreichen, das die Rokoko-Bilder des 18. Jahrhunderts in ihrer "Romantik und Üppigkeit" widerspiegeln sollte. Technisch strebte Keane die "beste beider Welten" an: Traditioneller Zeichentrick und computeranimierte Bilder, in diesem Fall auch noch in 3D. Vor Beginn der Produktion hielt er daher das Seminar "The Best of Both Worlds" ab, bei dem er rund 50 traditionelle Zeichner und Computergraphiker versammelte. Diese diskutierten die Vor- und Nachteile ihrer Animationsstile und wie man die Stärken beider Stile am besten vereinen könnte.

Der Film wurde dann sowohl von klassischen Zeichnern als auch von Computeranimatoren entwickelt. Man entwickelte neue Techniken, wobei es eine besondere Herausforderung darstellte, die Haare von Rapunzel realistisch wirken zu lassen. Die handgezeichneten Charaktere füllte man mit computeranimierten 3D-Bildern. Mit einer neuen Technik namens "Multi-Einstellung" gelang eine vorher nicht erreichte Tiefenschärfe, wobei man die Hintergründe bewusst nicht-photorealistisch erzeugte, um damit dem Effekt der alten Gemälde näher zu kommen. Das alles hatte seinen Preis: "Rapunzel" kostete die Irrsinnssumme von 260 Millionen Dollar und damit so viel wie Produktionen wie "Cleopatra" oder "Titanic".

Doch das Ergebnis rechtfertigte den Aufwand: Visuell ist der Streifen umwerfend und gleichzeitig äußerst unterhaltsam, vereinte also auch hier "die beste aller Welten". Die Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung und auch den Zuschauern gefiel's, und sie kamen in Strömen: 2010 flossen 591 Millionen Dollar weltweit in die Kassen, womit das Werk der achterfolgreichste Film des Jahres wurde. Bei den Golden Globes wurde er als "Bester Animationsfilm" nominiert; das Lied "I See the Light" erhielt sowohl eine Golden Globes als auch eine "Oscar"-Nominierung und gewann einen Grammy als "Bester für einen Film geschriebener Song".

Kritiker Ian Bunting schrieb für "Daily Record": "Der Film ist nicht perfekt. Aber wenn man mit Disney-Zeichentrickfilmen groß geworden ist, dann ist es herzerwärmend zu sehen, wie sich das Studio vergangener Brillanz zuwendet angesichts der intensiven Konkurrenz durch Pixar und DreamWorks."

Eine Diskussion entspann sich um den Originaltitel: Ursprünglich sollte der Film "Rapunzel" heißen, wurde dann aber in "Tangled" ("Verheddert") geändert, weil Disney fürchteten, dass ein weiblicher Name zu viele Jungs abschrecken würde, sich den Streifen anzusehen. Den gefühlten Misserfolg von "The Princess and the Frog" ("Küss den Frosch") hatte das Filmstudio dem Wort "Prinzessin" im Titel angelastet und bevorzugte daher etwas Geschlechtsneutrales. Nicht jeder konnte diese Argumentation nachvollziehen und akzeptieren.



"American History X", Pro7, 22:25 Uhr
Ein früherer Neo-Nazi (Edward Norton) versucht seinen jüngeren Bruder (Edward Furlong) davon abzuhalten, den gleichen Weg einzuschlagen, der ihn zum Mörder gemacht und ins Gefängnis gebracht hat.

Schon das Filmplakat zu diesem Drama von 1998 kommt provokant daher: Da fasst sich der mit nacktem Oberkörper abgelichtete Norton mit der Hand an seine Herzseite - wo ein riesiges tätowiertes Hakenkreuz zu sehen ist. Der Film ist teilweise ähnlich harter Tobak und hat mit der berüchtigten Asphaltkantenszene wohl in der Realität auch tatsächlich Nachahmungstäter inspiriert, die 2012 einen Jungen in der Uckermark ermordeten.

Indes lässt das packende Werk keinen Zweifel daran, dass seine Sympathien nicht auf Seiten der amerikanischen Neonazis liegen, woran auch die großartige und glaubwürdige Darstellung von Edward Norton, die mit einer "Oscar"-Nominierung honoriert wurde, einen großen Anteil hat.

Dass "American History X" solch ein Meisterwerk geworden ist - eine kunstvoll verschachtelte Reflexion über Gewalt und Rassismus - grenzt fast an ein Wunder, denn in der Postproduktion tobte eine Auseinandersetzung im Schneideraum. New Line Cinema nahmen Regisseur Tony Kaye praktisch den Film weg, nachdem sie mit seiner zweiten Schnittfassung, die sich sehr von der ersten unterschied, nicht zufrieden waren. Cutter Jerry Greenberg wurde beauftragt, eine dritte Fassung zu erstellen, die dann auch ins Kino kam. Kaye distanzierte sich von dieser und wollte sogar namentlich nichts mehr mit dem Film zu tun haben, was ihm von der Regisseursgilde Directors Guild of America (DGA) verwehrt wurde, woraufhin er diese und das Filmstudio auf Schadenersatz verklagte.

Trotz dieser widrigen Umstände behielt das Filmstudio am Ende Recht: Der Final Cut sorgte für positive Kritiken und begeisterte Zuschauer, auch wenn das Werk nicht in allzu vielen Kinos startete - "American History X" ist sicher vieles, aber nicht kompatibel mit dem Massengeschmack.

Auch ein kanadischer Zuschauer nimmt das Wort "Meisterwerk" in den Mund: "Ich wollte den Film sehen, seitdem mein Lehrer ihn in der 10. Klasse gesehen hat. Ich wünschte, ich hätte nicht all die Jahre gewartet, bis ich ihn dann endlich gesehen habe, aber vielleicht war das auch ganz gut so, denn er hätte mich mit 14 Jahren vielleicht etwas traumatisiert. Dieser Film ist außerordentlich! Er bringt zum Nachdenken, er frustriert, man möchte schreien, und man weint sogar. Dieses Werk ist in so vielerlei Hinsicht bewegend - ich kann kaum beschreiben, wie echt und ehrlich er sich anfühlt."



"Hooligans", Pro7, 00:45 Uhr
Ein zu Unrecht von der Harvard-Universität verwiesener Student (Elijah Wood) zieht nach London um, wo er in die gewalttätige Welt der Fußball-Hooligans eingeführt wird.

Bei diesem US-Drama aus dem Jahr 2005 kann man den Filmemachern nicht vorwerfen, dass sie nicht wussten, worüber sie drehten: Der Bruder der deutschen Regisseurin Lexi Alexander, die in Mannheim aufwuchs, war Fan des SV Waldhof und Teil der dortigen Hooliganszene, mit der die Jugendliche in den Achtzigern so auch selbst in Berührung kam. Drehbuchautor Dougie Brimson hatte seine literarische Karriere 1996 mit einem Sachbuch über die englische Football-Hooligan-Szene begonnen. Alexander kam mit Brimson in Kontakt, als sie für ihr Projekt recherchierte, da sie "Green Street Hooligans" (so der Originaltitel) in London spielen lassen wollte.

Die Green Street ist eine Straße im Londoner Vorort Newham, an der das Stadion Upton Park des Fußballvereins West Ham United liegt. Eine der berüchtigtsten britischen Hooligan-Vereinigungen, die Inter City Firm, kommt von dort und ist Gegenstand der Independent-Produktion, die lediglich rund 350 000 Dollar kostete.

Alexander erzählt die Geschichte handwerklich routiniert und setzt die gewalttätigen Auseinandersetzungen wie Schlachten in Szene, verliert sich - je länger der Film dauert - aber in einem "Fight Club"-Abklatsch, der die Gewalteskalationen als Schule der Männlichkeit stilisiert. Während die Kritiken für "Hooligans" nur gemischt waren, steht der Streifen bei den Zuschauern hoch im Kurs.

So auch bei diesem Londoner Kinogänger, der selbst Mitglied der WestHam-Hooligan-Szene gewesen ist: "Ich dachte nicht, dass mir dieser Film gefallen würde, weil ich schon von all den anderen Hooligan-Streifen enttäuscht worden bin. Aber trotz des zweifelhaften Handlungsverlaufs und einiger eklatanter Ungenauigkeiten, fand ich ihn ziemlich gut. Schauspieler und Kameraführung sind exzellent."



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