
Kritik: Das weiße Rauschen (2001)
Weingartners wechselhafter Lebenslauf ist klingt ja für sich genommen schon verrückt, zumal der heute 31jährige zu guter Letzt auch noch, mit einem Stipendium für Hochbegabte ausgestattet, in Köln Film und Regie studierte. "Das weiße Rauschen" ist sein preisgekrönter Abschlussfilm. Weingartner ist ein Überzeugungstäter, und seinem Film, der Jungstar Daniel Brühl in beispielloser Höchstform zeigt, kommt das zu Gute. So ehrlich, kompromisslos, ungeschminkt und ohne die sonst üblichen Klischees hat vor ihm wohl noch niemand dieses Thema angepackt. Brühl wurde für dafür am 18. Januar mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.
"Das weiße Rauschen" ist kein leichter Film und sein blutjunger Held keine Figur, mit der man sich identifizieren möchte: Lukas, ein 21 Jahre junges Landei, zieht zu seiner Schwester in die Stadt, wo ein neues Leben voller Partys, Spaß und Drogen auf ihn wartet. Bis Lukas plötzlich Stimmen hört, die ihn verfolgen und beschimpfen und buchstäblich in den Wahnsinn treiben. Lukas fühlt sich verfolgt, in seinem Kopf wütet das Chaos. Paranoide Schizophrenie, sagen die Ärzte. Für Lukas wird es eine Reise, die ihn bis an die spanische Atlantikküste führt.
Weingartner, der auch das Drehbuch zu "Das weiße Rauschen" schrieb, bezieht den Zuschauer stets mit in die Geschichte ein, macht ihn zum Zeugen, Angehörigen und Freund des Kranken - und impliziert damit die Gretchenfrage: Wie lebt es sich mit einem Menschen, der die reale Welt in seinem Kopf verlassen hat und seinen Mitmenschen die von ihm als real empfundenen Hirngespinste überstülpen will? Den Mut, sich dieser Frage wenigstens für kurze Zeit im Kinosaal zu stellen, wünscht man dem aufgeschlossenen Publikum - auf dass die wilden Träume eines ehemaligen Kanuführers doch noch in Erfüllung gehen.
Rico Pfirstinger