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FBW-Bewertung: Space Dogs (2019)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Das erste Lebewesen, das je ins Weltall geschossen wurde, war die russische Straßenhündin Laika. Was aber mit dieser Hündin genau geschah, darüber weiß kaum jemand Bescheid, dabei hätte man sich denken können, dass dieses Lebewesen zugleich auch das erste Todesopfer im Rennen um den Weltraum war. Dies ist der Auftakt zum furiosen Dokumentarfilm SPACE DOGS der beiden jungen Filmemacher_innen Elsa Kremser und Levin Peter. Mit eindrucksvoller Stimme erzählt ein russischer Sprecher (der Moskauer Schauspieler Aleksey Serebryakov) die Geschichte Laikas und eröffnet so einen Erzählbogen, der historische Fakten, Anekdotisches und Philosophisches eindrucksvoll miteinander verbindet - ein Faden, der später gekonnt weitergesponnen wird.

Von den Hunden, die den Schwerpunkt des Films bilden und die laut einer Legende (eher eine urban legend) vom Geist Laikas beseelt sind, wechselt der Film später zu einem dressierten Schimpansen und zu Schildkröten, die ebenfalls im Dienste der Wissenschaft und des menschlichen Strebens nach Höherem ins All geschossen wurden, ohne dass darunter die Stringenz der zugrundeliegenden Idee der Auslotung des Verhältnisses zwischen Menschen und Tier leidenwürde.

SPACE DOGS von Elsa Kremser und Levin Peter ist zwar nominell ein Dokumentarfilm, doch das Werk geht weitüber die bloße Abbildung der Realität hinaus. Vielmehr verknüpft es im Stile eines philosophischen Essays gewagte formale Experimente (wie etwa in der eindrucksvollen, nahezu hypnotischen Eingangssequenz), gegenwärtig Vorgefundenes und historische Materialien mit einer Meta-Erzählung, die einen ganz neuen Blick auf die Welt aufzeigt und so dem Publikum buchstäblich die Augen öffnet für Querverbindungen, die vieles über das Wesen der Welt und des Menschen zum Vorschein bringen.

Eindrucksvoll ist aber nicht nur der Aufbau des Films und die immer wieder auftauchende Erzählstimme, sondern ebenso die sehenswerte Kameraarbeit, die das Publikum buchstäblich auf Augenhöhe mit den gegenwärtigen Straßenhunden auf die Reise durch überwiegend nächtliche Moskauer Vorort-Gegenden schickt. Immer wieder fragt man sich fasziniert, wie es Kremser und Peter sowie ihrem Kameramann Yunus Roy Imer gelang, so nahe an die Hunde heranzukommen und so sehr um ihre Wege und Orte zu wissen, dass Bilder wie diese gelingen. Dabei scheut die Regie auch nicht davor zurück, das Leben der Hunde auf der Straße in aller ungeschönten Härte zu zeigen: Beim Streunen stoßen die Tiereauf eine Katze, die dann dem Jagdtrieb und vermutlich auch dem Hunger der Hunde zum Opfer fällt, der Versuch aber, die Beute auch zu verspeisen, scheitert kläglich.

Unterstützt wird der große Wurf, den Kremser und Peter hinlegen, von einem eindrucksvollen Sounddesign und Score, die beide buchstäblich die Leinwand und das Kino zum Dröhnen und Klingen bringen.

Ein gewagter Film, der neben seinen formalen wie erzählerischen Qualitäten eindrucksvoll beweist, dass das Kino immer noch ein Ort ist, an dem wir über uns und den Zustand der Welt nachdenken können und neue Impulse erfahren.



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