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FBW-Bewertung: Die Odyssee (2021)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Florence Miailhe ist es gelungen, eine universelle Geschichte von der Fluchterfahrung zu kreieren. Inspiriert durch ihre eigene Familiengeschichte hat sie viele Erfahrungsberichte, Legenden, alte Überlieferungen und Mythen gesammelt und diese zu dieser exemplarischen Odyssee verdichtet. Wenn sie von Vertreibung, Ausgrenzung, Gefangennahme, Kriminalisierung und Ausbeutung erzählt, dann immer aus der Perspektive von Kyone, die die Geschichte als nun alte Frau erzählt, aber auf einer nonverbalen Ebene auch die Zeichnungen aus ihrem Skizzenbüchern für sich sprechen lässt, mit denen sie die vielen Menschen lebendig werden lässt, die ihr und ihrem Bruder auf ihrer Reise begegnet sind. Dieses Mittel der Zeichnung in der Zeichnung ist geschickt gewählt, denn es verbindet elegant Form und Inhalt. Wenn Kyone die Geschichte erzählt, dann mit ihren eigenen künstlerischen Mitteln. Die Autorität und Emotion der Erzählstimme von Hanna Schygulla verstärkt diese Wirkung noch. Zeit und Ort sind nie genau definiert, und so ist es möglich, die vielen einzelnen Episoden aus verschiedenen Quellen zu einer Einheit werden zu lassen. Diese Reise ist voll von tragischen Geschehnissen, aber auch wunderbaren Rettungen. Der Ton ist dabei zugleich sehr persönlich und märchenhaft. Es gibt poetische Elemente wie die Elstern, die das Geschwisterpaar als heimliche Verbündete begleiten oder die Verwandlung von Kyone vom Kind in eine Frau, die symbolisch mit einem Bad in der Natur, bei dem Blut fließt, gestaltet wird. Miailhe arbeitet mit Märchenmotiven wie einem Hexenhaus im Wald und Schreckensbildern wie der Zerstörung ihres Heimatdorfs durch Milizionäre oder ein Gefangenenlager in einem riesigen Erdloch, mit denen sie Assoziationen an reale Vorkommnisse aus der älteren und jüngeren europäischen Geschichte weckt. Stilistisch ist DIE ODYSSEE ein Aquarell-Marathon, bei dem es Miailhe gelingt, zugleich stilisiert und lebendig zu erzählen. Dabei gib es Farbexplosionen, aber auch eine Vorliebe für Grautöne, die nicht nur für Not und Gefahr, sondern auch dafür stehen, dass Miaihle nicht mit Schwarz und Weiß, sprich schlecht und gut arbeitet, sondern die meisten Menschen in ihren Geschichten in Grautönen irgendwo dazwischen existieren, mit denen die Flüchtenden sich oft auch durchmogeln können. Farben, Licht, Geräusche, Musik ? alles kommt hier zu einem grandiosen humanistischen Gesamtkunstwerk zusammen, das die Jury sich nicht scheut, ein Meisterwerk zu nennen.



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