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Fremont (2023)

US-Indie-Drama in dem der in London lebende iranische Regisseur Babak Jalali seiner afghanischen Protagonistin bei der Produktion chinesischer Glückskekse zuschaut...Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
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Donya (Anaita Wali Zada) schläft schlecht. Und geht deshalb zum Arzt. Doch anstatt ihr das gewünschte Schlafmittel zur verschreiben, möchte Dr. Anthony (Gregg Turkington) viel lieber mit Donya reden. Um hinter die Ursache ihrer unruhigen Nächte zu kommen. Eine posttraumatische Belastungsstörung könnte der Auslöser sein. Denn zu Hause in Afghanistan hat Donya als Übersetzerin fürs amerikanische Militär gearbeitet. Mit dem Rückzug der USA musste auch sie das Land verlassen – und ihre Familie im Stich lassen. Inzwischen ist sie im kalifornischen Fremont unter-, aber noch nicht angekommen; lebt Tür an Tür mit anderen Afghanen und fühlt sich dennoch fremd.

Um nicht den ganzen Tag dieselben Gesichter zu sehen, fährt Donya zum Arbeiten eigens nach San Francisco. Dort stellt sie in Chinatown Glückskekse her. Und wird von ihrem Chef Ricky (Eddie Tang) nach dem unerwarteten Tod einer Kollegin zur Glückskekssprücheverfasserin befördert. Während Rickys Frau Lin (Jennifer McKay) Donya kritisch beäugt, ist Donyas Kollegin Joanna (Hilda Schmelling) darum bemüht, Donyas eingeschlafenen Liebesleben wieder in Schwung zu bringen. Eine heimlich in einem Glückskeks versteckte Botschaft ist der erste Schritt in eine unerwartete Richtung.

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"Fremont": Wo die traurigen Glückskekse träumen

Herausragende Filme, denen ihr Ruf nicht längst vorauseilt, wenn sie in die Kinos kommen, sind in unserer Medien- und Marketingwelt, in der jeder noch so kleine Fitzel promotet wird, im Grunde nicht existent. Ein-, vielleicht auch zweimal im Jahr kommt es dennoch vor, dass ein kleines Meisterwerk unter dem Radar fliegt und einen vollkommen unvorbereitet trifft. Et voilà: "Fremont" von Babak Jalali. Obwohl das auf Schwarz-Weiß gebannte Indie-Drama bei zahlreichen renommierten Festivals – von Sundance über das South by Southwest bis Karlsbad – zu sehen war, hat man hierzulande bislang kaum etwas über den Film gelesen. Zeit, sich diese leise, einfühlsame und lakonisch-gewitzte Geschichte im Kino anzusehen!

Geschichte(n), wie sie nur das Kino schreibt

Nirgendwo sonst als dort, in der Dunkelheit eines Kinosaals, kann man sich Jalalis neuen Film vorstellen. Denn es ist eine Geschichte, wie sie nur das Kino schreibt, die der im Iran geborene und in London lebende Regisseur und Drehbuchautor darin erzählt. Ausgedacht hat er sie sich gemeinsam mit Carolina Cavalli, einer befreundeten italienischen Filmemacherin. Und was sich diese beiden ausgedacht haben, könnte kaum schöner und zugleich skurriler sein.

In Jalalis und Cavallis Vorstellungswelt, einem seltsamen, durch das schmale Filmformat verengten und schwarz-weißen Ort, werden Glückskekse noch handgefertigt. Und das Erfinden der Sinnsprüche ist keine sinnlose Tätigkeit, sondern große Kunst. In dieser Welt also denkt sich eine aus Afghanistan geflohenen Übersetzerin diese Miniatur-Weisheiten aus. Und weil es in den USA kaum professionelle Schauspieler mit afghanischen Wurzeln gibt, hat der Regisseur für seine Hauptrolle mit Anaita Wali Zada eine Journalistin und Moderatorin gecastet, die wie ihre Filmfigur nach der Machtübernahme der Taliban ihre Heimat tatsächlich verlassen musste. Dass es ihre erste Rolle überhaupt ist, merkt man ihr nicht an, so natürlich und umwerfend entwaffnend agiert Wali Zada vor der Kamera.

Lakonie in Schwarz-Weiß

Das Erzähltempo ist getragen, die Einstellungen sind statisch. Und dennoch passiert darin ungeheuer viel; in einem sehnsüchtigen Blick, einer unbedachten Geste und in den Pausen zwischen den Dialogen. In seiner bittersüßen Lakonie und der Abbildung einer Arbeitswelt, die voll leiser Poesie steckt, erinnert "Fremont" an die frühen Filme Aki Kaurismäkis und Jim Jarmuschs (sowie dessen "Paterson", der wie eine Reise in seine Anfangsjahre anmutet). Und wie diesen beiden filmischen Vorvätern gehen am Ende auch bei Jalali die gewitzten Wendepunkte im Drehbuch allesamt auf.

Ungeachtet dieser potenziellen Vorbilder entfaltet Babak Jalalis Drama eine eigenständige Stimmung. Es dauert ein Weilchen, um angesichts der strengen Form mit dem Film warm zu werden. Wer sich auf ihn einlässt, wird mit einem der warmherzigsten und witzigsten Filme des Jahres belohnt – und mit einem Gastauftritt des grandiosen Jeremy Allen White ("The Bear"), der mit einem einzigen Augenaufschlag all die Möglichkeiten der Liebe andeutet. Was für ein bezaubernder, verzückender, beglückender Film!

Fazit: Babak Jalalis neuer Film "Fremont" ist vieles zugleich: schwarz-weiße US-Indie-Perle, einfühlsames Geflüchteten-Drama, lakonische Gesellschaftssatire, zärtliche Andeutung eines möglichen Liebesfilms. Letzten Endes aber vor allem eins: Ein Film über Glückskekse, der einfach nur glücklich macht!




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Besetzung & Crew von "Fremont"

Land: USA
Jahr: 2023
Genre: Drama
Länge: 91 Minuten
Kinostart: 09.11.2023
Regie: Babak Jalali
Darsteller: Anaita Wali Zada als Donya, Jeremy Allen White, Neil Hamburger, Hilda Schmelling, Siddique Ahmed
Kamera: Laura Valladao
Verleih: trigon-film, Cinemalovers e.V.

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