Die milde Altersfreigabe des französischen Dramas "Baise-Moi"
(Fick mich) hatte in Frankreich für Aufsehen gesorgt.
Die milde Altersfreigabe des französischen Dramas "Baise-Moi" (Fick
mich) hatte in Frankreich für Aufsehen gesorgt und war von den
Filmemachern begrüßt worden. Statt dass das umstrittene Werk mit
einem "X" bewertet wurde, versah es die Zensurbehörde mit einem
"PG-16", was Jugendlichen unter 16 Jahren den Einlass ermöglicht,
wenn sie von einem Erwachsenen begleitet werden. Zu den Plakaten
musste allerdings ein Warnhinweis ausgehangen werden, auf dem zu
lesen stand, "Baise-Moi" sei eine "ununterbrochene
Aneinanderreihung von besonders rohem Sex und Bildern
ausgesprochener Gewalt, die den Zuschauer tief verstören können."
Doch nach der Klage der extrem konservativen Familienorganisation
Promovoir erklärte das Oberste Gericht den Film für pornographisch
und wandelte die Altersfreigabe doch in ein "X" um, was für den
Streifen mit dem kommerziellen Aus gleichbedeutend wäre, da er
jetzt praktisch nur noch in Pornokinos gespielt werden kann.
Produzent Phillipe Godreau - den Bankrott vor Augen - gab zu
bedenken, dass "keiner der Kritiker, die den Film gesehen haben,
ihn für pornographisch hielt". Immerhin war das Werk auch bei den
Filmfestspielen in Cannes gezeigt worden. Nach dem hervorragenden
Start von "Baise-Moi" - obwohl er nur in 64 Kinos anlief, sahen ihn
21 000 Zuschauer und machten ihn zur Nummer elf in Frankreich - ist
dies ein schwerer Rückschlag für die Filmemacher, die auf ihrer
Seite im Netz die Leser bitten, dem Obersten Gericht Petitionen
zuzusenden, in denen sie die Widerrufung des Urteilsspruchs fordern
sollen. Die Aussichten darauf sind allerdings gering, denn die
Urteilsbegründung lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
So meinten die Richter, dass der Streifen "hauptsächlich aus sehr
gewalttätigen Szenen besteht, die mit Szenen durchsetzt sind, in
denen nicht-simulierter Sex vorkommt, während andere Sequenzen
Gewalt gegen Frauen im Gegensatz zu der vermutlichen Absicht der
Regisseurin nicht verurteilen." Dennoch regte sich Widerstand gegen
die Entscheidung: Zwei große Verleiher boykottierten die
Entscheidung und ließen "Baise-Moi" mit einem auf "PG-18"
angehobenen Zertifikat in ihren Kinos weiter laufen. Ihnen drohten
Geldbußen in Höhe von umgerechnet 100 000 Mark. Der Filmverleiher
Marin Karmitz sagte in einem Interview, er würde sich nicht von
rechten Gruppen beirren lassen: "Wir zeigen den Film weiterhin,
weil die Gerichtsentscheidung die Meinungsfreiheit unterhöhlt und
schwerwiegende Konsequenzen haben könnte, nicht nur für das
französische Kino, sondern für die Kunst allgemein." Die renitenten
Verleiher können jetzt auf Kulturministerin Catherine Tasca hoffen,
die angekündigt hat, "so schnell wie möglich" eine neue Altersstufe
einzuführen, die Jugendlichen den Besuch des Films zwar untersagt,
aber nicht dazu führt, dass der Streifen in Pornokinos abgeschoben
werden muss. Karnitz meinte, nachdem er von den Plänen der
Ministerin gehört hatte, seine Kinos würden mit der Aufführung des
Films warten, bis das neue Zensurgesetz in Kraft getreten sei. Die
Schriftsteller- und die Regisseursvereinigung haben jeweils
Beschwerde gegen das Urteil beim Gericht eingelegt. Den Protest
organisierte die Filmemacherin Catherine Breillat, deren eigenes
Werk "Romance" im vergangenen Jahr wegen pornographischer Sequenzen
eine Kontroverse auslöste, aber dennoch für die normale
Kinoauswertung freigegeben wurde. Mademoiselle Breillat schrieb in
ihrer Beschwerde, die von Dutzenden von Filmschaffenden, darunter
auch Jean-Luc Godard, unterschrieben wurde: "Nun existiert ein
höhere Instanz, welche sich selbst das Recht gegeben hat, Zensur zu
verhängen: Dazu musste nur mit dem Gespenst der Pornographie und
dem Schutz moralischer Werte gewunken werden." Die Künstler wurmt
besonders, dass ultra-rechte Kreise hinter der Klage gegen
"Baise-Moi" stehen. Die für den Film Protestierenden, angeführt von
den beiden Regisseurinnen von "Baise-Moi", Virginie Despentes
(links im Bild), auf deren Roman die Produktion beruht, und Coralie
Trinh Thi (rechts im Bild), versammelten sich in Paris vor dem Kino
MK2 Odeon, wo der Film weiter gezeigt wird, zu einer Demonstration.
Unnötig zu sagen, dass dort die Besucherzahlen nach dem
publikumswirksamen Streit in die Höhe gegangen sind. Auf die Presse
können die Befürworter des Films nur bedingt zählen, denn die
meisten Kritiker hatten die Produktion verrissen. Für "Le Monde"
ist "Baise-Moi" ein "kranker Film". "Le Nouvel Observateur" meinte,
der Streifen "schlägt einem Sex ins Gesicht, um Blut und Schrecken
zu verkaufen", "Les Echos" befand ihn als "uninteressant", "Le
Point" sah ihn als "schlechte Werbung für Sex" und für "Le
Parisien" war es schlicht "ein schlechter Film".
