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TV-Tipp für Montag (3.2.): Harriet Andersson liegt im Sterben

Arte zeigt "Schreie und Flüstern"

"Schreie und Flüstern", Arte, 21:55 Uhr
Als eine krebskranke Frau (Harriet Andersson) von ihren beiden Schwestern (Ingrid Thulin und Liv Ullmann) besucht wird, kommen lange unterdrückte Gefühle zwischen den Geschwistern untereinander und einer Hausangestellten (Kari Sylwan) an die Oberfläche.

"Alle meine Filme kann man sich in Schwarzweiß denken, außer 'Schreie und Flüstern'", erklärte Regisseur und Drehbuchautor Ingmar Bergman ("Das siebente Siegel"). Während sein schwedisches Drama aus dem Jahr 1972 um bereits aus dem Bergmanschen Kosmos bekannte Themen wie Familie, Distanziertheit, Sexualität, Geschlechterrollen und die Suche nach Glaube und Erlösung kreiste, schlug der damals 53-Jährige hier einen neuen Farbton an: Ingmar's bevorzugter Kamermann Sven Nykvist fing mit dem dafür besonders prädestinierten Eastmancolour-Filmmaterial satte Farben ein, besonders prägnant das Rot.

Begonnen hatte alles mit dem Bild von in weiß gekleideten Frauen, die in einem roten Raum miteiander flüstern, das Bergman in den Sinn gekommen war. Ohne ein festes Drehbuch, sondern allein mit einem Handlungsfaden gelang es ihm, seine bewährte Mannschaft aus den Darstellerinnen Harriet Andersson, Ingrid Thulin und Liv Ullmann sowie Kameramann Nykvist für seine Idee zu gewinnen.

Schwieriger war es, die Finanzierung sicherzustellen. Nach einigen sehenswerten, aber kommerziell erfolglosen Streifen musste der Regisseur für das 1,5 Millionen Kronen schwere Budget sein Erspartes in Höhe von 750 000 Kronen einsetzen und sich 200 000 Kronen borgen. Die Hauptdarstellerinnen und Nkyvist verzichteten auf ihre Gagen. Den Rest schoss das Schwedische Filminstitut zu, was diesem Kritik einbrachte, denn eigentlich sollten hier Talente und keine arrivierten Filmemacher gefördert werden.

Doch der Einsatz sollte sich lohnen. "Viskningar och rop" - so der Originaltitel - wurde ein internationaler Erfolg an den Kinokassen und bei der Kritik und Bergman's kassenträchtigstes Werk seit "Persona" sechs Jahre zuvor. In Deutschland hatte sich allerdings kein Verleiher gefunden. Hier musste der Film seine Premiere im Fernsehprogramm der ARD feiern.

Gefilmt worden war im Schloss Taxinge-Näsby am Mälarsee in der Nähe von Mariefred nahe Stockholm, das nicht bewohnt wurde und von dem Flmteam daher nach Gutdünken ausgestaltet werden konnte. Die Dialoge entwickelten die Darstellerinnen zusammen mit ihrem Regisseur oder improvisierten. Es entstand ein zugleich intimes wie intensives Werk, streng durchkomponiert in den Bildern und von den Schauspielerinnen grandios gespielt.

Nochmal Ingmar Bergman: "Ich glaube, dass ich in 'Persona' und 'Schreie und Flüstern' so weit gegangen bin, wie ich gehen konnte. Hier konnte ich in völliger Freiheit arbeiten und dabei wortlose Geheimnisse berühren, die nur das Kino entdecken kann."

Ungewöhnlich für eine ausländische Produktion, wurde "Viskningar och rop" für den Oscar als "Bester Film" nominiert, dazu noch für Regisseur Ingmar Bergman, für sein Drehbuch, für Kostümbildnerin Marik Vos-Lundh und Kameramann Sven Nykvist, der den Goldjungen auch gewinnen konnte. Bei den Golden Globes war der Streifen als "Bester fremdsprachiger Film" nominiert; bei den Britischen Filmpreisen waren Nebendarstellerin Ingrid Thulin und Kameramann Nykvist nominiert. Bei den Schwedischen Filmpreisen gewannen der Film und Hauptdarstellerin Harriet Andersson.

Ein Zuschauer meint: "Eines der besten Werke von Ingmar Bergman, das Verstand, Herz und Seele vollkommen verbindet. Ungemein schön anzusehen, mit der Farbe Rot überall. Die Schauspielerinnen sind erstaunlich. Bis dahin hafteten den Darstellungen in Bergman-Filmen immer etwas Theaterhaftes an, aber hier wirken die Schauspieler immer auserlesen und herzzerbrechend echt. Die Geschichte der Wirkung eines langsamen Todes auf vier Frauen erlebt man eher wie ein Gedicht als eine Geschichte. Und die Momente schrecklicher Realität - ich habe Krankheit und Tod nie so ehrlich auf der Leinwand gesehen -, poetische Anmut und surreale Traumbilder tanzen ohne Fehltritt miteinander. Ein sehr schwieriger und schmerzhafter, aber unbedingt sehenswerter Film."



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