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Berlinale und britische Filmindustrie sehen Oscar-Reform kritisch

Preisverleihung fällt genau in die Festspielzeit

Die Einschaltquoten der Fernsehübertragung der Oscar-Verleihung sinken seit vier Jahren signifikant. Nachdem von 2008 bis 2014 mit einer Ausnahme immer mehr Zuschauer zugeschaltet hatten und 2014 mit 43 Millionen das Maximum erreicht worden war, gingen die Zahlen in den Sinkflug. In diesem Jahr schalteten mit 26 Millionen Menschen so wenige zu wie noch nie.

Mit verschiedenen Maßnahmen will die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, welche die Academy Awards auslobt und die Show organisiert, den Trend wieder umkehren. Eine Hauptmaßnahme: Nachdem 2003 die Verleihung bereits von Ende März auf Ende Februar vorgezogen wurde, weil man das Gefühl hatte, die Luft sei bis zu diesem Zeitpunkt aus der Preisverleihungssaison bereits raus, soll es ab 2020 auf den Termin 9. Februar gehen.

Das lässt nun die Alarmglocken bei den Verantwortlichen der Berlinale schrillen. Die Festspiele finden traditionell in dieser Zeit Anfang Februar statt; für 2020 würden sie nach normaler Maßgabe zum Beispiel vom 6. bis 16. Februar veranstaltet. Damit würde die Oscar-Verleihung direkt in der Festivalzeit stattfinden und Medienaufmerksamkeit sowie Stars und Geschäftsleute abziehen.

Berlinale-Direktor Dieter Kosslick erklärt gegenüber "Screen Daily": "Die Nachricht hat uns überrascht. Meine Nachfolger Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian und ich müssen uns zusammen setzen und die neue Situation besprechen. Das genaue Datum für die Berlinale 2020 steht aber noch nicht fest."

Kosslick hat sich in diesem Jahr bereits flexibel gezeigt, als die Berlinale wegen der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang eine Woche später als üblich stattfanden.

Auch die britische Filmindustrie ist über die Entscheidung in Los Angeles nicht glücklich. Die Verdichtung der Preisverleihungszeit führe zu einer Häufung von Prestige-Filmen innerhalb weniger Monate und "das Letzte, was wir wollen, ist eine noch größere Kannibalisierung von Produktionen in dieser Periode", meint Mark Batey, der Geschäftsführer der Film Distributors Association, des Zusammenschlusses der Verleiher in Großbritannien.

Da die Britische Filmakademie, die Anfang Februar ihre BAFTA Awards vergibt, bereits erklärt hat, ihrerseits nun die Verleihung um zwei Wochen vorzuziehen, dürften die BAFTA-Nominierungen nun bereits vor Weihnachten verkündet werden.

"Man wird dem Publikum kaum noch Zeit geben, mit all diesen Filmen mitzuhalten", befürchtet Batey. "Die Monate Januar und Februar sind schon jetzt sehr verdichtet, so dass manche Filme unterrepräsentiert auf den Leinwänden sind und so nicht ihr volles Potential entfalten können. Sollte das noch enger werden, dürften es manche Streifen überhaupt nicht mehr in die Kinos schaffen."


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