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Der Pan (Doug Jones)
Der Pan (Doug Jones)
© Senator Film

TV-Tips für Freitag (26.8.): Guillermo del Toro's phantastische Tagträume

Arte zeigt Meisterwerk "Pans Labyrinth"

Auf den 17. Platz hat es "Pans Labyrinth" diese Woche in der BBC-Liste der Top 100 der besten Filme des 21. Jahrhunderts geschafft. Nun können sich Zuschauer am Freitagabend im Arte-Nachtprogramm selbst ein Bild von dem spanischen Meisterwerk machen.

"Public Enemies", 3sat, 22:35 Uhr

Das FBI versucht in den dreißiger Jahren die berüchtigten Gangster John Dillinger (Johnny Depp), Baby Face Nelson (Stephen Graham) und Pretty Boy Floyd (Channing Tatum) festzunehmen.

Ursprünglich wollte Bryan Burrough die Geschichte der US-amerikanischen Kriminalitätswelle in den Dreißigern Anfang der nuller Jahre als TV-Miniserie verarbeiten, aber der Autor schaffte es letztlich nicht, ein angemessenes Drehbuch zu verfassen. Seine Schwäche sah er selbst ein und veröffentlichte seinen Stoff 2004 stattdessen als Sachbuch "Public Enemies: America's Greatest Crime Wave and the Birth of the FBI". Via Universal Pictures und Regisseur Michael Mann ("Heat") sollte Burrough's Werk dann aber doch noch Zuschauer und nicht nur Leser finden - und das nicht bloß im Fernsehen, sondern sogar im Kino.

Mann schrieb das Drehbuch selbst und filmte dann für 100 Millionen Dollar erstmals komplett digital statt auf 35mm-Zelluloid. Gedreht wurde in den US-Bundesstaaten Wisconsin und Illinois an vielen Orten, an denen sich die im Film gezeigten Geschehnisse 70 Jahre zuvor tatsächlich abgespielt hatten. Bei der Ausstattung legte man viel Wert auf Authentizität, während man sich bei den historischen Gegebenheiten einige künstlerische Freiheiten nahm. Mit weltweit 214 Millionen Dollar Umsatz wurde "Public Enemies" 2009 ein solider Erfolg.

Der Kriminalfilm, der den Strukturwandel im Amerika der Dreißiger geschickt abbildet, arbeitet unterhaltsam mit filmhistorischen und popkulturellen Versatzstücken, ist kompetent und technisch beeindruckend in Szene gesetzt und wartet mit charismatischen Hauptdarstellern auf - wirklich fesselnd ist das Ganze indes weniger.

Kritiker Daniel Kimmel befand in "New England Movies Weekly": "Der Gangsterfilm des denkenden Mannes. Während denjenigen, die eine gute Schießerei sehen wollen, mächtig viel Action geboten wird, ist der Rest des Films eine entschieden gefühllose Angelegenheit."



"Die durch die Hölle gehen", ARD, 01:00 Uhr
Der Vietnam-Krieg beeinflusst und zerstört das Leben von Menschen in einer kleinen Industriestadt in Pennsylvania.

Ein Film, bei dem alles passt: Die Kritiker liebten ihn, die Zuschauer liebten ihn und machten ihn zu einem Riesenerfolg, und schlussendlich liebte ihn auch die Filmindustrie. "The Deer Hunter" (Der Hirschjäger), so der Originaltitel, wurde für neun Academy Awards nominiert, von denen er fünf gewinnen konnte: Als "Bester Film", für die "Beste Regie", für Christopher Walken als "Bester Nebendarsteller", für den "Besten Ton" und den "Besten Schnitt". Die Library of Congress nahm die Produktion 1996 in das National Film Register auf, um es wegen seiner "kulturellen, historischen oder ästhetischen Bedeutung" für alle Zeiten zu sichern. Und noch heute zählt dieses Drama zu den besten Filmen aller Zeiten.

In epischer Breite erzählen Regisseur Michael Cimino und Drehbuchautor Deric Washburn vom Leben der Menschen in einer kleinen Industriestadt in Pennsylvania. Obwohl es besonders die Szenen in Vietnam sind - darunter die umstrittene Sequenz, in welcher der Vietcong Walken und Robert De Niro dazu zwingt, zum Wettspaß Russisches Roulette zu spielen - die das Werk berühmt gemacht haben, spielt nur ein Drittel des dreistündigen Streifens wirklich im Krieg. Das Drittel davor und danach schildert das Leben der Hauptfiguren De Niro, Walken und Meryl Streep in ihrer Heimat. Cimino hatte klar gesagt, dass er einen Film über "Amerika und den Krieg", nicht über den Vietnam-Krieg per se machen wolle.

Die in Vietnam spielenden Szenen wurden in Thailand produziert, wobei Bangkok als Kulisse für Saigon genutzt wurde. Cimino, der alles so detailgetreu und realistisch wie möglich darstellen wollte, drehte alles vor Ort, ohne Filmstudios. Wie so beinahe zu erwarten, dauerten die Dreharbeiten länger und wurden fast doppelt so teuer als geplant. Als Cutter Peter Zinner das Filmmaterial auf den Tisch bekam, hatte es eine Länge von unfassbaren 182.000 Metern, das entspricht einer zeitlichen Länge von 270 Stunden. Zinner schaffte es, einen Film von dreieinhalb Stunden daraus zu schneiden, der Cimino zufriedenstellte, das Filmstudio Universal Pictures allerdings weniger.

Universal-Chef Thom Mount taufte den Film damals sarkastisch "The Deer Hunter and the Hunter and the Hunter". Es begann ein zähes Ringen zwischen den Produzenten und dem Regisseur, der um jede einzelne Einstellung kämpfte. Schließlich führte man im Mittleren Westen bei Probeaufführungen dem Publikum sowohl 150 wie 180 Minuten lange Fassungen vor, wobei sich Cimino's längere durchsetzte. Schließlich behielten alle Recht: Der gewaltige Erfolg war der Gradmesser für den so mühsam hergestellten - alleine die Tonmischung nahm fünf Monate in Anspruch - und dann doch so meisterhaften Streifen.

Auf der Berlinale 1979 sorgte die Russisches Roulette-Szene für den Auszug der sowjetischen Delegation, die gegen die Darstellung der vietnamesischen Soldaten protestierte. Auch Jury-Mitglied Julie Christie verließ demonstrativ die Vorführung. Bei der "Oscar"-Verleihung gab es ebenfalls Proteste durch Demonstranten, die mit Plakaten wie "Nein zu Rassismus" und "'The Deer Hunter' ist eine Lüge" die Limousinen der Stars begrüßten. Ebenso diskutierten die Medien kontrovers darüber, wie viel "kreative Freiheit" erlaubt sei. Der Asien-Kenner Peter Scholl-Latour zeigte sich zum Beispiel empört über das frei erfundene Russisches Roulette.

Diese Einseitigkeit in der Darstellung des Kriegsgeschehens und die Über-Länge des Films mögen seine Schwächen sein, aber die mit den Charakteren mitfühlende Inszenierung und die gewaltigen schauspielerischen Leistungen - auch De Niro und Streep wurden für ihre Darstellungen nominiert - machen es mehr als wett.

Ein britischer Zuschauer beschreibt: "Dies bleibt trotz der Kontroversen eines der besten Werke des amerikanischen Kinos - ein berührender, ergreifender und schlussendlich deprimierender Film, der fragt, ob die Wirkungen des Krieges über das rein Körperliche hinaus in den Bereich der menschlichen Natur hineinreichen."



"Pans Labyrinth", Arte, 01:45 Uhr
Im faschistischen Spanien 1944 entkommt die junge Stieftochter (Ivana Baquero) eines sadistischen Armeeoffiziers (Sergi López) in eine unheimliche und zugleich faszinierende Fantasiewelt.

Dieser spanische Fantasy-Film des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro ("Pacific Rim") ist sein bisheriges Meisterwerk, und es ist schwer vorstellbar, dass er den kreativen Blitz noch ein zweites Mal in einer Flasche so genial einfängt wie bei diesem bildgewaltigen und phantasmagorischen Streifen. Seine Ideen sind del Toro's ganz eigene, teilweise in seine Kindheit zurückreichend und über Jahrzehnte in Notizbüchern festgehalten.

Dieses Werk ist vieles zugleich: Tragisches Märchen, Horror des Alltags und der Phantasie, eine bittere Reflexion der spanischen Geschichte, eine poetische Allegorie des Faschismus - und all das fügt sich grandios zusammen in einer außerordentlichen und fesselnden Fabel, einer Art "Alice in Wonderland" für Erwachsene.

Del Toro sah "El labirinto del fauno" (so der Originaltitel) als eine Quasi-Fortsetzung zu seinem im Spanischen Bürgerkrieg spielenden Horrorfilm "The Devil's Backbone" von 2001, der ähnliche Themen behandelte. Da "Faun" im Englischen zu sehr wie "Fawn" (Rehkitz) klingt, änderte man für den internationalen Verleih den Titel in "Pan's Labyrinth". Pan ist in der griechischen Mythologie der Gott des Waldes und der Natur; sein amerikanischer Darsteller Doug Jones brachte täglich fünf Stunden in der Maske zu, um sich in den Faun zu verwandeln.

Gedreht wurde für umgerechnet 19 Millionen Dollar in den Waldkiefernwäldern der Sierra de Guadarrama, einer Bergkette in Zentralspanien. Del Toro nutzte neben Masken und mechanischen Puppen auch computergenerierte Bilder, um seine Phantasiewelt abzubilden.

2006 war "El laborinto del fauno" einer der gefeiertesten Filme des Jahres, landete auf vielen Bestenlisten, gewann fast 100 Preise und war für ebenso viele nominiert. In Cannes hatte das Werk das Pech, mit dem irischen Drama "The Wind That Shakes the Barley" von Ken Loach und bei den Spanischen Filmpreisen mit dem spanischen Drama "Volver" von Pedro Almodovar mit zwei Schwergewichten zu konkurrieren, an denen es nicht vorbei kam.

Doch - für einen spanischen Film absolut ungewöhnlich - konnte der Streifen 2007 sechs "Oscar"-Nominierungen verzeichnen und dabei sogar drei Academy Awards gewinnen: Für die Kamera, die Ausstattung und die Maske. Leer gingen der Film selbst - es gewann das deutsche Drama "Das Leben der Anderen" -, das Originaldrehbuch und die Musik aus. Mit weltweit 83 Millionen Dollar war "El laborinto del fauno" ein großer Erfolg.

Kriitikerin Helen Cowley schrieb in "Little White Lies": "Zeuge zu sein, wie sich die einzigartigen Gedankenexplosionen von Guillermo del Toro auf der Leinwand manifestieren, ist wahrhaft verblüffend."



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