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Venedig streitet über Frauenquote

76. Internationale Filmfestspiele sind eröffnet

Gestern haben die 76. Internationalen Filmfestspiele von Venedig eröffnet. Bis zum 7. September konkurrieren 21 Spielfilme um den Hauptpreis des Goldenen Löwen, darunter auch der polnische Regisseur Roman Polanski mit seinem französischen Drama "J'accuse", das die berüchtigte Dreyfuß-Affaire im Jahr 1895 behandelt. Dass der wegen Vergewaltigungsvorwürfen umstrittene Filmemacher in den Wettbewerb aufgenommen worden ist, schmeckt nicht allen Kunstschaffenden und Journalisten.

Alberto Barbera, der Festivaldirektor, der in seine letzte Biennale-Runde geht, verteidigte die Einladung an Roman: "Die Kunstgeschichte ist voller Künstler, die Verbrechen begangen haben, deren Werke wir aber weiter bewundern, und das Gleiche gilt für Polanski. Er ist nach meiner Ansicht einer der letzten Meister des europäischen Kinos. Wir können nicht 200 Jahre warten, um zu entscheiden, ob seine Filme großartig oder belanglos sind. Dieses ästhetische Urteil muss jetzt gefällt werden."

Umstritten ist auch die Frauenquote. Die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel, Vorsitzende der Wettbewerbsjury, zeigte sich enttäuscht, dass von den 21 Streifen nur zwei von Frauen inszeniert worden sind - Shannon Murphy mit ihrem australischen "Babyteeth" und Haifaa Al Mansour mit ihrem saudi-arabischen "The Perfect Candidate". Martel meinte: "Quoten sind nie befriedigend, aber es gibt keine andere Lösung, um die Einbeziehung von Frauen zu garantieren."

Festivalchef Barbera sieht das ganz anders: "Ich bin gänzlich gegen die Quote bei der Auswahl eines Filmfestivals, weil es gegen das einzige Kriterium verstößt, das wir berücksichtigen müssen, und das ist die Qualität eines Films." 23 Prozent der eingereichten Werke seien in diesem Jahr von Frauen inszeniert worden. Solange sich diese Zahl nicht erhöhe, sei es schwierig, an eine 50/50-Quote heranzukommen.

Eröffnet wurde das Festival mit dem französischen Drama "La verité" des japanischen Regisseurs Hirokazu Koreeda mit Juliette Binoche und Catherine Deneuve. Deutsche Produktionen sind im Wettbewerb nicht vertreten.


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